Geschichten erzählen

Erzähler, wie Franz Hohler einer ist, müssten wissen, dass man eine Geschichte nicht erzählen sollte, von der man nur das Ende kennt (und dieses nicht einmal richtig). Hohler persifliert ausgiebig die Idee, mit der die CoOpera gegründet worden ist und jahrzehntelang gearbeitet hat. Die CoOpera habe nicht nur (angeblich) ein Haus mit einem Kulturbetrieb an ein Scheichtum verkauft, sondern sie verrate damit auch ihre deklarierte Idee (was noch schlimmer ist). «Das Geld eingestrichen hat eine ‹Pensionskasse für Unternehmen, Künstler und Freischaffende›, deren Jubiläumsbuch den Titel trägt ‹Mit Vorsorge-Kapital anders umgehen.› So kann man das auch sagen.» Da haben wir es wieder, das billige Bild der renditegetriebenen Profiteure. Für mich als Mitgründer und langjährigem Stiftungsratsmitglied der Stiftung und schliesslich auch als Autor des erwähnten Buches handelt es sich hier nicht nur um Kreditschädigung, sondern auch um eine ganz persönliche Verletzung, die ich der NZZ am Sonntag mindestens ebenso ankreide wie Franz Hohler. Denn die Redaktion der Zeitung hat die Falschaussage in ihre Headline übernommen und tut im Korrigendum vom 16.7.23 nun so, als trüge allein Franz Hohler die Verantwortung für den Fehler. Feigheit nennt man das (oder Professionalität?).

230702 NZZ Hohler 1 und 2

Die Zeitungsente im urspünglichen Text (oben, linke Seite) kann man mit vielleicht 2/3 der Fläche beziffern (Bild eingeschlossen). Das Corrigendum (rechts, weiss gerahmt) macht einen Bruchteil des ursprünglichen, fehlerhaften Textes aus. Das ist übliche Praxis bei Corrigenda: möglichst unauffällig.

Den Anfang der Geschichte, die Franz Hohler problemlos bei der CoOpera hätte erfragen können, schildert Daniel Maeder, der frühere Geschäftsführer und Mitgründer der Stiftung folgendermassen:

«Der Gesichtspunkt der CoOpera war …: wir wollten der letztverbliebenen Buchhandlung in Oerlikon, die sich schon immer mit regelmässigen gutbesuchten Veranstaltungen als sozialer Brennpunkt in diesem Stadtteil eingesetzt hat, das Überleben sichern. Das Sortiment der Buchhandlung Nievergelt hatte ein sehr hohes Niveau und trug zur Bildung der Bevölkerung etwas bei. Der Verkäufer … hat damals bereits auf einen Teil des möglichen Verkaufspreises verzichtet, sofern wir als Käuferin für mindestens 5 Jahre der Buchhandlung eine existenzsichernde Miete garantierten [mittlerweile sind es acht Jahre]. Wir haben dafür sogar eine eigene GmbH gegründet … Auch konnte … der Nord-Südverlag gewonnen werden. Nach dem Umbau und der Vollvermietung konnte so doch, nicht eine maximale, aber eine marktgerechte Rendite erzielt werden. [D]as Motiv lag überhaupt nicht im Objekt ‹Immobilie Franklinstrasse Oerlikon›, sondern in der sozialen und geistigen Funktion der Buchhandlung. Wir haben uns in der CoOpera ja immer bemüht, solche Motive an erste Stelle zu setzen. Die materiellen Bedingungen haben wir diesen Motiven untergeordnet (Primat des Geistes) und teils mit phantasievollen Lösungen so gestaltet, dass die Motive innerhalb der uns durch Gesetz und Statuten auferlegten Pflichten realisiert werden konnten. Das ist eben der Unterschied zwischen konventionellen Anlagen und Anlagen, die nebst der Rendite für die Versicherten, einen Sinn haben.»

Es lässt sich natürlich viel leichter polemisieren, wenn man nur einen Teil der Geschichte kennt. Es lässt sich auch suggerieren, dass mit diesem Verkauf ein Ende der Buchhandlung in dieser Liegenschaft gekommen sei. Hohler berichtet, dass bereits eine Mietzinserhöhung vorgenommen worden sei (was derzeit hierzulande wahrlich kein Einzelfall ist). Der Mietvertrag läuft also weiter.

Nach dieser Richtigstellung bleibt die Frage, ob die Liegenschaft durch die CoOpera tatsächlich verkauft werden musste, wenn kulturelle Anliegen doch der CoOpera so wichtig sind.

Seit dem Kauf der erwähnten Liegenschaft hat in der CoOpera ein Generationenwechsel stattgefunden. Damit ist keine Ungültigerklärung der Ziele und Anliegen verbunden, welche von den Gründern (wie im erwähnten Buch beschrieben und anhand vieler Beispiele illustriert) formuliert worden sind. Verkaufen oder nicht verkaufen? Das ist eine Einschätzungsfrage, bei der Kalkulation und Werthaltungen sich gegenüberstehen. Dass es bei Einschätzungsfragen im Laufe der Zeit Verschiebungen gibt, ist normal. Die Randbedingungen spielen dabei eine Rolle. Eine solche Randbedingung ist die Tatsache, dass Pensionskassen ganz generell einen höheren Bestand an Immobilien halten, als es die Anlagerichtlinien des Bundes vorsehen. Reduktion der Immobilienportefeuilles ist also angesagt. Die CoOpera Sammelstiftung PUK ist hier wohl keine Ausnahme.
In den acht Jahren seit meinem Rücktritt aus den Funktionen bei der CoOpera Sammelstiftung PUK und der CoOpera Beteiligungen AG ist Franz Hohlers Zeitungsente der erste Anlass, mich erneut mit diesem für mich biografisch wichtigen Arbeitsgebiet zu befassen. Ich tue das in der Hoffnung, dass Franz Hohlers irregelaufener Zwischenruf ein Anlass ist, die kulturellen Aspekte der Stiftung bei Entscheidungen ernsthaft in die Erwägungen einzubeziehen. Es ist einfacher, Entscheidungen mit Hinweisen auf Rendite, Professionalität, Governance usw. zu begründen, als schwer wägbare ideelle Kriterien als ebenbürtige Aspekte zu berücksichtigen.

Mehr Informationen zur erwähnten Buchpublikation hier.