Die Epidemie des Herabsetzens
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- Erstellt: Montag, 09. April 2018 17:46
Der Arxhof ist eine Institution des nordwest- und innerschweizer Strafvollzugskonkordats und bietet Plätze für 46 junge straffällige Männer zwischen 17 und 25 Jahren. Der langjährige erste Direktor dieser Einrichtung, Renato Rossi, erklärte in einem Radio-Gespräch die Grundhaltung seiner Einrichtung im Umgang mit den jungen Männern – ganz im Sinne des Arxhof-Leitbildsatzes «Wir begegnen unseren Bewohnern respektvoll, transparent und fordernd.» Er berichtete, dass es nur zwei Verhaltensweisen gebe, die harte Sanktionen nach sich zögen: Gewalt und herabsetzende Bemerkungen gegenüber anderen.
Doch wie wollen junge Männer in schwierigen Lebenssituationen herabsetzende Bemerkungen nachhaltig aus ihrem Interaktions-Repertoir streichen, wenn sie solches von Politikern und Journalisten täglich zu hören bekommen? Zu den «Pionieren» herabsetzenden Redens gehört der in der Schweiz wohl populärste Politiker Christoph Blocher. Herabsetzen kann in der massiven Form Blocherscher Diktion sein (zum Beispiel der Ausdruck «Volksverächter» für nicht genehme Politiker anderer Parteien oder die Aussage über einzelne Persönlichkeiten, etwa im Rahmen einer Diskussion des Initiativrechts:
«Jetzt weiss ich endlich, wofür Doktoren und Professoren gut sind, ein normaler Mensch käme nicht auf solche Ideen.» (Albisgüetli-Rede 2017). Journalisten demgegenüber wissen, dass Polemik nicht zu ihren Aufgaben gehört. Sie stehen mehr oder weniger in der Pflicht, «objektiv» (was immer das auch heisst) zu berichten. Sie vermeiden direkt angriffige Schreibweise und verlagern ihre persönliche Ablehnung (oder diejenige der Chefredaktion) in emotionale, oft lächerlich machende Formulierungen, die Botschaft beinhaltend: ernst nehmen ist nicht geboten. Der im «Verschwörungstheoretiker»-Beitrag verlinkte Bericht der Basler TagesWoche strotzt nur so vor derartigen Formulierungen (Titel: «Gedanken-Wellness für Eingeweihte mit Ganser und Co». So ist denn ein Leser-Kommentar zu diesem Artikel nur konsequent: « ... diese ewigen Diffamierungen finde ich echt peinlich für Leute, die glauben, sie hätten der Öffentlichkeit etwas zu sagen. Also liebe Journalisten, ist das alles, was ihr zu bieten habt?»
Herabsetzen bedeutet, dass man das herabgesetzte Gegenüber nicht ernst nimmt, nicht auf dieselbe Stufe stellt, auf der man selber zu stehen vorgibt. (In Begriffen der Transaktionsanalyse: selber begibt man sich in die Rolle des Eltern-Ich und zwingt sowohl Personen, über die man spricht oder schreibt, ins Kindheits-Ich und versucht, die Leser oder Zuhörer zu Komplizen zu machen.)
In verschiedenen Beiträgen dieses Blogs will ich konkrete Beispiele aus der öffentlichen Diskussion (Presse, Radio) kommentierend wiedergeben.