Umverteilung wäre überflüssig, wenn ....
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- Erstellt: Samstag, 29. November 2014 08:41
Vor der Umverteilung gab es eine Verteilung – sonst könnte nicht umverteilt werden. Logisch! Aber im Gegensatz zu Umverteilung wird über Verteilung wenig berichtet. Beziehungsweise: man merkt es manchmal nicht. So war es beispielsweise am Freitag, 21. November 2014. Die NZZ schrieb: „Der Marktwert der Wohnimmobilien im Besitz privater Haushalte kletterte [2013] um 77 Mrd.".
Informationen haben wenig Erkenntniswert, wenn sie nicht eingeordnet werden können. Einordnen gehört zu den Tätigkeiten der Qualitätspresse. Die NZZ erhält im Jahrbuch „Qualität der Medien Schweiz" von Kurt Imhof in der Regel gute Noten. Aber es gibt Informationen, die bewirken Knalleffekte, wenn man sie einordnet. Da lässt man es lieber bleiben.
Massiver Vermögenszuwachs auf Wohneigentum.
Also was bedeutet der oben zitierte Satz? Ganz wenige Zusatzangaben und Rechenoperationen erhellen die 77 Mrd. Vermögenszuwachs: 37.2% der Bevölkerung wohnen in eigenen vier Wänden („Wohneigentumsquote", Meldung NZZ 25.2.2014. Dieselbe Zeitung schreibt allerdings am 10.7.2014 von 49%). Wenn man die Wertsteigerung von 77 Mrd. auf die 37.2% der Bevölkerung bzw. die Haushalte verteilt, dann ergibt das pro Haushalt 56'6000 Franken Vermögenszuwachs (bei 49% entsprechend etwas weniger). Was haben diese Eigentums-Haushalte für den Vermögenszuwachs geleistet? Nichts – ausser dass sie rechtzeitig Schulden machten und sich eine Eigentumswohnung oder ein Haus kauften. Für den Vermögenszuwachs sorgt die Gesellschaft (Bau von Strassen, Bus und Bahnen, Schulen, Freizeiträume, Kulturbetriebe usw.) und der Kapitaldruck, der von der Finanzpolitik und den Pensionskassen ausgeht und von den Spekulanten verstärkt wird.
Rechnen wir noch etwas weiter.
Den Immobilienvermögensstand Ende 2013 gibt die NZZ mit 1'793 Mrd. Franken an. Auf die Haushalte heruntergerechnet: 1.32 Mio pro Haushalt. Das ist einigermassen plausibel. In der Zahl enthalten sind Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuschen, Villen. Zunächst schmerzt oder beglückt dieser Vermögenszuwachs niemanden. Er ist nur Buchgewinn. Doch dieser wird realisiert, wenn Wohneigentum zum Verkauf kommt. Und das passiert andauernd. Mehr noch: meine Miete steigt, weil meine Vermieterin „Anpassung Mietzins an quartierübliche Preise" geltend macht. Was bei Eigentümern Buchgewinn ist, wird bei Mietern zu Mietzinserhöhung.
Zurück zur Umverteilung: Ungleichheit gehört zum Leben. Der Eine will seine Ruhe, der andere viel Geld. Der Eine ist zufrieden in seinem Schrebergärtchen, der andere jagt Aufträgen nach und arbeitete sieben Tage die Woche. Das führt zu Einkommens- und Vermögensunterschieden. Hinzu kommen die wirtschaftlich und gesellschaftlich bedingten, leistungslosen oder unverdienten Vermögenszuwächse von z.B. 20'000 pro Jahr (pro Person). Ist das schlimm? In 50 Jahren ist das 1 Mio. Irgendwann stirbt dieser Mensch und kann mit seiner Million nichts mehr anfangen.
Erben und Erbschaftssteuer
Nun kommt das Erben. Und da gibt es gesellschaftliche Kreise, die finden, dass eine allzu grosse Ungleichheit gleich zu Beginn des Lebens sozial problematisch ist. Sie haben die Erbschaftssteuer-Initiative lanciert. Wird den Wohneigentümern nun wieder weggenommen, was sie zum (kleineren) Teil erspart und von der Gesellschaft (zum grösseren Teil) geschenkt erhalten haben?
Um im Umfang von 20% des Vermögens gemäss Volksinitiative erbschaftssteuerpflichtig zu werden, reicht eine völlig Hypotheken-freie durchschnittliche Eigentumswohnung oder ein Einfamilienhaus an der Perpherie längst nicht. Denn vorab gilt ein Freibetrag von 2 Mio Franken. Hinzu kommen weitere in drei Abschnitten geregelte Formen von Freibeträgen. Wenn der Wert der Wohnung (Haus) zu Beginn 1 Mio war, kann ich weit über 50 Jahre Vermögenszuwachs von 20'000 pro Jahr „erleiden", bis ich die inflationsbedingt inzwischen deutlich erhöhte Steuergrenze erreiche.
Die Alternative
Unverdiente Vermögenszuwächse würden dann nicht oder nur in bescheidenem Mass stattfinden, wenn der Boden nicht handelbar und nur das Haus (nicht aber der Boden) im Eigentum des Erbauers oder Käufers wäre. Für den Boden wäre eine Nutzungsgebühr (Baurechtszins) zu bezahlen. Häuser auf Baurechtsland sind keine investitionsfreundlichen Anlagen, es sind Sach- und keine Grundpfandkredite. Für Investoren mag dies ärgerlich sein. Volkswirtschaftlich und damit gesellschaftlich liegt der Vorteil darin, dass der preistreibende Kapitaldruck auf den Boden massiv abnimmt. Unter dem Kapital und Mitzinsdruck leide ich ja nicht nur als Mieter, sondern auch als Konsument und Konsumentin über die Mieten oder Grundrenten, die in die Kalkulation der Preise einfliessen. Wenn der Mietzins- und Preisdruck nachlässt, entschärft sich auch die Situation für Haushalte mit niedrigen Einkommen und über die Senkung von Sozialleistungen auch der Druck auf die Gemeinschaft, die Geld für die Umverteilung beschaffen muss.
Zum Thema Boden siehe „Solidarwirtschaft" S. 180 – 184 und S. 263 – 268