Joe Biden: Lukaschenkos Vorbild

2013 wollte der Whistleblower Edward Snowden von Honkong über Moskau nach Kuba fliegen, um von dort aus Asyl in einem südamerikanischen Staat zu finden. (Hongkong war nicht bereit gewesen, Snowden auszuliefern.) Während seines Flugs erklärten die USA seinen Pass für ungültig. So blieb er in Moskau im Transitbereich des Flughafens hängen. Derweil machte sich Evo Morales, der an einer Konferenz in Moskau teilgenommen hatte, daran, nach Bolivien zurückzufliegen. Er hörte von Snowdens Problem und erklärte sich bereit, ihm Asyl zu gewähren. Doch Snowden sass immer noch ohne Pass im Flughafen fest. Morales flog los, kam aber nicht weit. Er hätte noch auf spanischem Boden zwischenladen müssen um aufzutanken. Doch die USA hatte bewirkt, dass Frankreich, Spanien und Italien ihren Luftraum sperrten. Denn sie glaubten, Snowden sitze in Morales’ Flugzeug. Morales musste zurück und landete in Wien. Dort wurde das Flugzeug durchsucht – Snowden aber nicht gefunden. Mit 12 Stunden Verspätung konnte Morales weiterfliegen. (Später gewährte Moskau Snowden Asyl.) Fazit: Der Vorteil der USA damals war, dass sie in Europa hörige Befehlsempfänger hatten, die bei der Verfolgung von Snowden Hand boten. Belarus hat kein solches Netzwerk und musste deshalb ein Abfang-Flugzeug schicken, was etwas martialischer wirkt. Beide Staaten, USA (damals unter der Federführung von Joe Biden) und Belarus jagten missliebige Personen mit sehr unzimperlichen Methoden. Dass nun allein die Jagd eines weissrussischen Regimekritikers als präzedenzlos angesehen wird und Entsetzen auslöst, ist scheinheilig.

Nachtrag (31.5.2021)

Verschwörungserzähler nehmen sich selbstverständlich auch dieses Ereignisses an. Von einem Freund erhielt ich eine Darstellung von KenFM zugeschickt. Ein Ausschnitt daraus:

«Nach den massiven Anschuldigungen gegen Weißrussland, hat man in Minsk das einzige getan, was einem zu unrecht Beschuldigten übrig bleibt. Sie haben Beweise vorgelegt, die die Anschuldigungen komplett widerlegen. Aus den Aufzeichnungen des Funkverkehrs geht unzweideutig hervor, dass die Landung in Minsk die freie Entscheidung des Kapitäns war. Es gab eine Empfehlung der Kontrolle in Minsk, dortselbst zu landen. Das hat noch einen Aspekt. Mit dieser Empfehlung kamen sie dem Kapitän zu Hilfe, denn sie enthielt die uneingeschränkte Erlaubnis, überhaupt in Minsk landen zu dürfen. So haben sie dem Kapitän völlige Entscheidungsfreiheit gewährt, das zu tun, was er in seiner Notsituation für richtig hält. Diese Empfehlung war ein Akt der Nothilfe, wie es international üblich ist.» (Also wählte der Flugkapitän den weiteren Weg nach Minsk statt den näheren nach Vilnius. Logisch, oder?)

Interessanterweise kommt der Autor dieser Darstellung ganz ohne die Erwähnung des gefangengesetzten Regime-Gegners Protassewitsch und dessen Partnerin aus.