"Profitstreben als beste Unternehmensethik"
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- Erstellt: Samstag, 23. Februar 2013 17:26
Dieses Thema gehört zum Problemkreis 2 in Teil 2 von "Solidarwirtschaft": Markt, Wettbewerb, Stakeholder
Nachdem die reine Shareholder-Doktrin längst in Frage gestellt ist, geben sich Wirtschafts-theoretiker und Journalisten immer wieder Mühe, das Erbe Milton Friedmans hochzuhalten. So nimmt beispielsweise Beat Gygi von der NZZ-Wirtschaftsredaktion in einem NZZ-Folio-Heft, das dem Thema „Verantwortung" gewidmet ist, die Gelegenheit wahr, das Corporate Social Responsibility-Konzept als unscharf und verführerisch zu kritisieren. Mit Friedman fordert er, „dass sich die Manager in einer freien Marktordnung darauf konzentrieren sollen, die ihnen von den Eigentümern anvertrauten Mittel möglichst gewinnbringend einzusetzen – natürlich unter Einhaltung der Wettbewerbsregeln und Gesetze. Verpflichte man Unternehmen auf andere, soziale Ziele, führe dies bloss zu Will kür bei der Gewichtung dieser Ziele – zulasten der Eigentümer, was die Fundamente freier Wirtschaftsordnungen untergrabe."
In seinem Beitrag in der NZZ vom 22.2.2013 will Roland Vaubel zeigen: „Die Ethik des Marktes kommt ohne Altruismus aus."
In diesen und vielen ähnlichen Aufsätzen wird davon ausgegangen, dass es eine kategoriale Unterscheidung Gewinn-/Profitstreben versus moralische Motive/Altruismus gebe.
Es ist falsch, hier einen Gegensatz zu konstruieren, der in der (realwirtschaftlichen) Praxis nicht besteht. Denn keine wirtschaftliche Entscheidung kann vom Zeit-, dem Sozial- und dem Umwelthorizont abstrahieren – so wie es die Wirtschaftstheorie offenbar ohne weiteres kann. Im Zusammenhang mit derzeit sehr intensiv diskutierten Vergütungssystemen (Boni) von Konzernleitungen ist erkannt und anerkannt, dass es den Zeithorizont braucht, um kurzfristige Gewinnmaximierung von nachhaltiger zu unterscheiden.
Wenn ich ressourcen- und emissionsintensive Handlungsweisen (Entscheidungen) in den 60-er Jahren und heute beurteile, so komme ich in den 60-er Jahren dazu, dass diese damals als profitmaximierend und damit als Wohlstand-schaffend haben gelten können. Heute muss ich dieselben Handlungsweisen als à la longue wohlstandsmindernd beurteilen.
Wo genau verlaufen die Grenzen zwischen Weisheit/Ethik/Altruismus und Profitorientierung? Welchen Zeithorizont haben Friedman oder Gygi im Kopf, wenn sie dazu auffordern, sich gewinnorientiert zu verhalten? Im Sinne einer Art Politik der verbrannten Erde war es einst möglich, gewinnmaximierend den Boden zu verseuchen, die Unternehmung zu liquidieren und an einen anderen Ort zu ziehen (Altlasten zahlt heute die Allgemeinheit). In einer Zeit der Globalisierung wird die rücksichtslose Ausbeutung der Ressourcen ferner Länder schwieriger. Die Begrenztheit der Erde mit ihren Ressourcen und Menschen rückt allmählich mindestens so weit ins Bewusstsein, dass deutlich wird, dass die reine (kurzfristige) Profitorientierung eine Sackgasse ist. Nachdem Kolonisierung zur Profiterzielung, wie sie in der guten alten Zeit der Engländer und Holländer usw. noch möglich war, auf immer engere Grenzen stösst, hat längst die „Kolonierung der Zukunft" begonnen. Wir beuten heute nicht mehr (nur) die Ressourcen anderer Nationen aus, sondern auch diejenigen zukünftiger Generationen (Ressourcenverschleuderung, Schuldenwirtschaft). Siehe auch Claus Leggewie, Harald Welzer: Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Frankfurt 2011.
Der falsche Gegensatz Profitstreben versus Altruismus löst sich dann auf, wenn unter Altruismus nicht irgendeine gefühlsmässige oder religiöse Haltung verstanden wird, sondern eine Haltung, die aus einer ganzheitlichen und nicht einer partikulären Erkenntnishaltung heraus entsteht. Dies wurde oben angedeutet mit den drei Ebenen einer Entscheidung: Zeithorizont, Sozialhorizont und Umwelthorizont.