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Der Kapitalismus und seine (Nicht-) Versprechen

Kann man eine Sache kritisch würdigen, ohne sie zunächst einigermassen sorgfältig beschrieben zu haben? Rainer Hank, Redaktor und Publizist, kann das. Er zählte die Errungenschaften des Kapitalismus auf – abzulesen an positiven Entwicklungen in den Bereichen: Wachstum, Lebenserwartung, Armut, Kindersterblichkeit, Lebenszufriedenheit, Wasser, Energie und medizinische Basisversorgung, Bildung – eine Erfolgsgeschichte nach der anderen. Alles dem Kapitalismus zu verdanken? Problematische Aspekte? Keine (so mindestens im Artikel, den die NZZ am 24. Februar 2024 publizierte). Unter Kapitalismus versteht Hank «eine Wirtschaftsweise, die die Produktion von Gütern, Dienstleistungen und Finanzen dem Markt überlässt, auf dem das (mehr oder weniger) freie Spiel von Angebot und Nachfrage den Preis bestimmt.» Mit dieser Gleichsetzung von Kapitalismus mit Marktwirtschaft ist Hank nicht allein. Weil «Markt» einen unverfänglicheren Klang hat als das oft negativ konnotierte «Kapital», tendieren etliche Autoren dazu, «Kapitalismus» durch «Marktwirtschaft» zu ersetzen. Camouflage also. Richtig ist das nicht.

Erst nach der Lektüre des Textes in der Printausgabe entdeckte ich, dass Hank seine Eloge auf den Kapitalismus für das NZZ-Podium vom 8. Februar 2024 ausgearbeitet hatte. Diese Veranstaltung trug den Titel: Leistung, Gleichheit, Gerechtigkeit – erfüllt der Kapitalismus seine Versprechen? Der Titel der Veranstaltung hätte zwar eine «kritische Würdigung» nahegelegt. Allerdings kündigte Martin Meyer, der das Podium eröffnete, Hanks Referat mit dem Thema an: «Die Vorzüge des Kapitalismus». Hank war also davon dispensiert, eine kritische Würdigung vorzutragen. Davon ahnt der Leser des Textes «Der Kapitalismus und seine Verheissung» in der NZZ vom 24.2.2024 allerdings nichts. Hanks Ausführungen waren denn – zumindest im Zeitungstext – auch von keiner Infragestellung getrübt. Eher im Gegenteil: eine Metaphorik von Wilhelm Hauff («Das kalte Herz») bemühend, formulierte er: «Man könnte in Anlehnung an Claude Lévi-Strauss und in Umkehrung der Metapher Wilhelm Hauffs sagen: «Die Menschenwelt war bis etwa 1820 eine ‹kalte Gesellschaft› ,danach wurde sie eine ‹warme Zivilisation›, die das Leben für alle Menschen verbesserte, wenn auch nicht für alle in gleichem Masse.» So blieb denn SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr (neben SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr, Christian Gattiker von der Bank Julius Bär und Rainer Hank) die Einzige auf dem NZZ-Podium, die von kühlen Winden des Kapitalismus zu berichten wusste. Sie kam beispielsweise auf die Wohnungsnot zu sprechen. Früher hätten auch Arbeiter ein Haus bauen können. Heute sei dies selbst für den Mittelstand aussichtslos. Christian Gattiker «erdete» diese dem Kapitalismus zugeschriebene Negativ-Erfahrung: sie habe mit der Knappheit des Bodens zu tun. Klar. Und Knappheit bedeutet, dass Bodeneigentümer exorbitante Preise verlangen können und dürfen. Die Preisfestsetzung wird durch Angebot und Nachfrage diktiert. Daran ist nicht zu rütteln. Und die Idee, dass Boden als nicht produziertes und nicht vermehrbares «Gut» wie eine Ware behandelt werden kann, ist die Grundlage unserer Freiheit. So etwa die mit Zähnen und Klauen verteidigte unschweizerische Ideologie, wie Jacqueline Fehr mit ihrem Hinweis auf die eidgenössische Traditionen der Genossenschaften, Alpkorporationen, Allmenden und Bürgergemeinden meinte.

Kapitalismus ist Marktwirtschaft, lesen und hören wir (siehe oben; NZZ 24.2.2024). Voraussetzung sei ein staatlicher Ordnungsrahmen und Respektierung des Privateigentums, so Hank. Das war’s dann schon. Und dann blieb dem Referenten nur noch, die Errungenschaften des Kapitalismus aufzuzählen und mit Grafiken zu illustrieren – wie oben bereits erwähnt: Wachstum, Lebenserwartung, Armut, Kindersterblichkeit, Lebenszufriedenheit, Wasser, Energie und medizinische Basisversorgung, Bildung – eine Erfolgsgeschichte nach der anderen. Alles dem Kapitalismus zu verdanken?

Welchen Anteil am Produktivitätsfortschritt hat beispielsweise die Arbeitsteilung, deren wirtschaftlichen Effekt bereits Adam Smith beschrieben hatte? Ist die wissenschaftliche und technologische Revolution eine Errungenschaft des Kapitalismus oder dieser eher eine Folge der technologischen Revolution (und der Akkumulation des Kapitals)? Inwiefern ist die «Respektierung des Privateigentums» eine Voraussetzung für gedeihliche Entwicklungen? (Es gibt erfolgreiche Grossgenossenschaften / Stiftungen wie Coop, Migros, Die Mobiliar, Bosch usw. Die Berner Burgergemeinde (Gemeingut!) ist ein äusserst erfolgreiches Unternehmen.) Welche Rolle spielte die Ausbeutung der Arbeitskraft, wie sie beispielsweise bei Produktion und Vermarktung der On-Sneakers vorgeführt wird? Und so weiter. Es ist intellektuell doch sehr einfach gestrickt, wenn die (positiven) Entwicklungen verschiedenster Grössen aufgezählt und diese pauschal «dem Kapitalismus» gutgeschrieben werden, während problematische Entwicklungen völlig ausgeblendet bleiben.

Auch wenn es nicht Hanks Aufgabe gewesen zu sein scheint, den Kapitalismus kritisch zu würdigen, stellt sich die Frage nach Grundlagen und Zusammenhängen. Wenn Hank eine Reihe von Entwicklungen als Erfolge des Kapitalismus darstellt, dann müsste Konkreteres über diese «Ursache Kapitalismus» ausgeführt werden, insbesondere, wenn der Kapitalismus in Hanks Verständnis mit Marktwirtschaft gleichgesetzt wird. Hier deshalb von meiner Seite ein Versuch, den Begriff «Kapitalismus» zu umschreiben:

Dienende Funktion. Produktion und Handel benötigten schon lange vor 1800 Kapital. Den Beginn des Kapitalismus unserer Zeit sieht man in der Regel um die erwähnte Jahrhundertwende. Vorher kam dem Kapital fast immer eine rein dienende Funktion zu. Es half, eine produktive Idee umzusetzen, einen wirtschaftlichen Mehrwert zu generieren. Als Kapitalismus bezeichne ich hingegen diejenige Wirtschaftsweise, in der das Mittel (das Geld-Kapital) seine dienende Funktion verliert und selber zum Zweck wird – während die dienende Funktion des Kapitals in Wirtschaft und Gewerbe weiterhin erhalten bleibt. Meine eigene Erfahrung mit dieser Art von Kapital als Unternehmensgründer und -entwickler hat mir dazu viel Anschauungsmaterial geliefert.

Finanzkapitalismus. Kapitalismus ist also diejenige Wirtschaftsweise, in der Kapital mehr und mehr zum Produktionsmittel wird, um weiteres (Geld-) Kapital zu generieren (Ergebnis: leistungsloses Einkommen). Produktionsweisen wirtschaftlicher Güter und Dienstleistungen, die Kapital einsetzen, erzeugen Mehrwert. (Finanz-) Kapitalismus, der lediglich Bewertungsdifferenzen ausnützt, erzeugt keinen (wirtschaftlichen) Mehrwert. Ebenso wenig die Negativkampagnen der Short-Sellers, die Aktienkurse gezielt zum Einbrechen führen, um sich die Mehrheit einer Gesellschaft billig anzueignen. Von den Wirkungen des Finanzkapitals war auf diesem Podium nicht die Rede. Der Verzicht auf die Differenzierung von dienender versus spekulativer Rolle führt dazu, dass Kleingewerbler (dazu lässt sich die Podiumsteilnehmerin Gutjahr zählen) sich mit Investmentbankern gegen die «linken Feinde des Kapitalismus» solidarisieren können.

Externe Kosten. Kapitalismus mit seiner Gewinnfokussierung ist eine Wirtschaftsweise, die sich nicht um externe Kosten kümmert. Davon war auf dem Podium nicht die Rede. Deshalb wehren sich Kapitalismus-nahe Parteien traditionellerweise gegen Verpflichtungen zur Übernahme externer Kosten durch die Verursacher. Finanz-Kapitalismus ist dasjenige System, das jede technische Innovation, die leistungslose Renditen verspricht, zulässt – beispielsweise vor Jahren den Hochfrequenzhandel mit der Ausrede, je liquider der Markt sei, desto perfekter funktioniere dieser (in Bezug auf den Wohnungsmarkt gibt es keine Liquiditätspostulate!); inzwischen haben die Kryptowährungen Einzug gehalten. Welchen Mehrwert erzeugen diese?

Kommodifizierung. Typisch für den Kapitalismus ist ferner die Kommodifizierung (zur Ware machen) von Werten, die bislang dem Geld- und Tauschverkehr nicht unterlagen. Davon war auf dem Podium nicht die Rede. Beispiele dafür finden sich in Naturzusammenhängen – ein prominentes Beispiel in der Schweiz ist das Tourismus-Projekt des Ägypters Sawiris in Andermatt. Alpen werden zu Vergnügungsparks, naturnahe Gebiete mit grosser Diversität zu Intensivlandwirtschaft. Quantitativ bedeutender ist die Ausbeutung der Rohstoffe weltweit, Fischerei eingeschlossen. «Freiheitliche» beziehungsweise kapitalistisch orientierte Parteien setzen sich ausserdem für möglichst grenzenlose Eingriffe in die «Unternatur» ein, sei es im Bereich Gentechnologie oder Kernenergie. Risiken treten in den Hintergrund. Die Patentierung von Organismen verspricht beträchtliche Gewinne (Beispiel Monsanto).

Verantwortung / Moral. Die Fokussierung auf den Gewinn (bzw. den Shareholdervalue) führt zur Ausblendung von traditionellen sozialen Grenzen der Wirtschaft. Auf dem Markt oder im traditionellen Handel der italienischen Kaufleute schauten sich die Wirtschaftspartner in die Augen. Auf dem Wochenmarkt tun sie es noch heute. Diese Face-to-face-Wirtschaft setzte moralische Grenzen. Im Kapitalismus fallen sie weg. Roger Federer wird vermutlich nicht rot vor Scham, wenn offenbar wird, dass die Unternehmung in seinem Miteigentum der Herstellerfirma in Vietnam weniger als einen Zehntel des Ladenpreises hierzulande zahlt. Er muss ja auch nicht rot werden. Thomas Fuster fragte in der NZZ vom 23. Januar «wo hier das Problem sein soll. Produkte in fernöstlichen Schwellenländern billig herzustellen, um sie dann in kaufkräftigen Industrieländern teuer zu verkaufen, ist kaum eine Erfindung von On, sondern das Geschäftsmodell zahlloser Firmen.» Dass die Ertragsverteilung in der Wertschöpfungskette verantwortungsbewusst gehandhabt werden sollte, ist offenbar nur eine Idee wirklichkeitsfremder Fairtrader. Im Rohstoffgeschäft ist Korruption ohnehin gang und gäbe. Verlierer sind die Bevölkerungen in den Rohstoff-exportierenden Ländern. Wenn entsprechende Berichte in die Öffentlichkeit geraten, spricht man nicht von einem moralischen Versagen, sondern von Image- oder Reputationsschäden. Ein Lieferkettengesetz («Konzernverantwortung») könnte verlorene Transparenz und «soziale Nähe» ein Stück weit wieder herstellen. Jacqueline Fehr holte zu einem engagierten Plädoyer für das Wahrnehmen von Verantwortung aus. Rainer Hank darauf: «Verantwortung ist ein unglaublich schwammiger Gummibegriff, unter dem ich mir nicht so arg viel vorstellen kann.» (Sollte ich ihm mein Buch «Solidarwirtschaft. Verantwortung als ökonomisches Prinzip» senden?)

Kapitalstau. Ein geradezu lehrbuchartiges Beispiel für eine kapitalistische Lösung ist die 2. Säule der Altersvorsorge in der Schweiz, die nach dem sogenannten Kapitaldeckungsprinzip funktioniert. Sie macht jeden Lohnabhängigen zum Mitspieler im kapitalistischen System. Während das Umlageverfahren der 1. Säule nur relativ bescheidene Verwaltungskosten verursacht, ist jeder Rentenfranken der 2. Säule von 35 mal (!) höheren Verwaltungskosten belastet als der Rentenfranken der AHV. Davon ist in den Vorsorgediskussionen nie die Rede. Wären 1. und 2. Säule Konkurrenzunternehmen, müsste die 2. Säule umgehend Konkurs anmelden – viel zu teuer! Wahrscheinlich ist die Belastung des Rentenfrankens durch die Versicherten- und Kapitalverwaltung allerdings das viel kleinere Problem. Dramatischer ist der Kapitaldruck in den Märkten. Es ist längst nicht nur die Knappheit des Baulands, das die Bodenpreise in die Höhe treibt, sondern die Konkurrenz um Anlagemöglichkeiten. Wer keine warme Stube findet, mag sich an Reiner Hanks Euphemismus erwärmen, wonach wir in einer ‹warmen Zivilisation›, die das Leben für alle Menschen verbesserte, leben.

Nochmals zurück zur Frage der Kausalität und zur Podiumsdiskussion: Jacqueline Fehr stellte die These auf, dass der Kapitalismus nur deshalb und nur da erfolgreich ist, wo er durch soziale Gesetze eingezäunt, gezähmt oder abgefedert ist. Ja, sie formulierte gar die These, dass der Wohlstand dort am höchsten sei, wo Gleichheit mit staatlichen Massnahmen am weitestgehenden realisiert ist. Rainer Hank erwiderte, dann müsste der Wohlstand in Deutschland viel höher sein als in der Schweiz. Denn Deutschland stecke viel mehr in den Sozialstaat als die Schweiz. Das Gegenteil ist also der Fall. Fehr: Es komme nicht darauf an, was man hineinstecke, sondern was herausschaut. Und da sei die Schweiz eben besser. Rainer Hank schaute etwas verdutzt in die Runde.

Der Kapitalismus sei, wie wir dem Referat von Rainer Hank entnehmen, ein Erfolgskonzept. Die Freisinnig-demokratische Partei «ist seit 1848 der Garant des Erfolgsmodells Schweiz» (Website FDP). Wie diese Erfolge zustande kommen, wird durch Beiträge wie demjenigen von Rainer Hank nicht deutlich. Der politische Gegenpol formuliert expliziter: «Für uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen gilt das Primat von Demokratie und Politik. Dieses Primat geht im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung der wirtschaftlichen Wertschöpfung, der blossen Nutzenebene vor. Es erfordert die Überwindung des Kapitalismus, der unsere Gesellschaft auf eine blosse Marktgesellschaft und die sozialen Beziehungen auf den blossen Tausch von Vorteilen reduziert.» (SP-Parteiprogramm 2012) Der Kapitalismus soll überwunden werden, was den Jungsozialisten besonders am Herzen liegt. Was das heissen und daraus werden soll, ist für mich ebenso «schwammig» wie für Rainer Hank der Begriff der Verantwortung. Oft sprechen Linke von Gesellschaft und Solidarität, wo in der politischen Praxis dann ein kritikloser Etatismus durchschlägt. Der sei immerhin demokratisch legitimiert. Für mich nicht sehr tröstlich.
Gemäss der «offiziellen» Berichterstatterin der Veranstaltung, Stephanie Caminada, sei auf dem Podium das gegenwärtige Gesellschaftsmodell verteidigt worden, während sich Jacqueline Fehr «allein auf einen anderen Standpunkt» gestellt habe. Wer aufgrund dieser Feststellung bei Jacqueline Fehr nun einen revolutionären Standpunkt vermutet, liegt falsch. Denn die mehrmals erwähnte Einzäunung oder Einhegung des Kapitalismus ist (mindestens für sie) bereits ein Stück Überwindung. Das dürften jüngere Genossinnen und Genossen etwas anders sehen. Wahrscheinlich tragen die Anliegen Fehrs und ihrer Gesinnungsgenossinnen und -genossen massgeblich zur Rettung des Kapitalismus bei. Kapitalismus ohne «Zähmung» würde sich selber in Konflikten zerstören und wäre nicht überlebensfähig. Das haben die Vertreter des Kapitalismus nur noch nicht gemerkt.

Das Setting Arzt - Patient

Thomas Boyer, CEO der Groupe Mutuel, «plädiert für die Schaffung einer Task-Force, in der alle wichtigen Akteure vertreten wären: Spitäler, Ärzteschaft, die Pharmaindustrie, der Bund, die Kantone und die Versicherer.» (NZZ 20.3.2024) Die Patienten sieht er nicht als wichtige Akteure des Gesundheitswesens. Ein Stück weit hat er vielleicht sogar recht. Der Arzt sagt dem Patienten: Sie müssen operiert werden. Der Patient schluckt leer – und fügt sich. Über ihn wird verfügt. Aber das ist keineswegs zwingend. Hier zunächst eine kleine Auslegeordnung.

Patient
Der Patient befindet sich unter einem mehr oder weniger grossen Leidensdruck. Der Arzt ist für ihn Autorität beziehungsweise Experte. Vom Arzt beziehungsweise von der angeordneten Therapie verspricht er sich Heilung. Grundsätzlich hat er aufgrund von Presseberichten über die Fortschritte der Medizin oder aufgrund eigener (Google-) Recherchen eine optimistische Haltung in Bezug auf angeordnete Massnahmen.

Arzt
Der Arzt verfügt aufgrund eines breiten Wissens entsprechend seinem Fachgebiet über ein (durchaus begrenztes) Repertoire an Standard-Antworten auf eine begrenzte Anzahl an Diagnosen. Er steht unter einem gewissen Druck, Symptome vollständig zu erfassen und mit ausreichenden Therapien zu beantworten. Diese sind jeweils mehr oder weniger Ermessenssache. Zur Sicherheit ordnet er eher zu viel als zu wenig an. Die Anwendung von Standard-Antworten hat zur Folge, dass der Arzt zu wenig individualisiert (z.B. Anordnung einer Therapie oder eines Eingriffs trotz hohem Alter).

Situation
Die optimistische Disposition des Patienten in Bezug auf Therapie und das Standard-Therapie-Wissen sowie das Sicherheitsbedürfnis des Arztes führen dazu, dass der Vorschlag / die Anordnung des Arztes vom Patienten schnell akzeptiert wird. Selten oder nie werden erörtert und vom Patienten reflektiert:
• Erfolgsaussichten (der Patient tendiert dazu, von 100%, d.h. völliger Heilung, auszugehen).
• Entwicklung des Zustands, wenn Vorschlag / Anordnung nicht ausgeführt wird (Verzicht z.B. auf einen operativen Eingriff).
• Nebenwirkungen, mögliche Spätfolgen.
• Mögliche Interaktion der angeordneten Therapie mit allfälligen anderen Symptomen oder Therapien.
• Häufigkeit der Therapie / des Eingriffs mit Angaben zu geografischer und soziodemografischer Verteilung.
Mit anderen Worten: weil in der Entscheidungsfindung für eine Therapie kaum eine Reflexion unter Einbezug des Patienten stattfindet, wird gewissermassen nicht hinterfragt eine (allenfalls teure) Therapie durchgeführt, auf die u.U. auch hätte verzichtet werden können.

Folgerung
Die Urteilsbildung und der Entscheidungsprozess v.a. für den Patienten ist bewusster zu gestalten. Diesem ist mehr Spielraum zu garantieren. Insbesondere sollte der Patient damit konfrontiert werden, dass eine Therapie (ein Eingriff) sehr oft kein Prozess ist, der mit der völligen Gesundung endet. Der Patient muss die Schwere des Eingriffs (der Therapie) und dessen Risiken an der eigenen Situation (z.B. Alter, andere Erkrankungen) messen und abwägen können. Es ist nicht plausibel, dass derselbe Patient, der vielleicht einige Jahre später lebensverlängernde Massnahmen ablehnt, einige Jahre vorher fordert, dass der Arzt sämtliche Register zieht. Beziehungsweise: dieses Verhalten ist nur dann plausibel, wenn der Patient in Bezug auf Heilungswahrscheinlichkeit im Unklaren gelassen wird und sich falsche Hoffnungen macht.

Vorschlag: Dokumentation
Den Vorschlag, ab einer gewissen Kostenschwelle zwingend eine Zweitmeinung einzuholen, unterlasse ich hier aus verschiedenen Gründen. Viel bescheidener wäre ein Ansatz obligatorischer Information / Dokumentation. Konkret: wenn der behandelnde Arzt eine Hüftgelenkoperation vorschlägt, darf eine Überweisung / Anmeldung nicht in derselben Sprechstunde beschlossen werden. Stattdessen übergibt der Arzt dem Patienten eine kleine Dokumentation, in welcher die fünf oben erwähnten Punkte behandelt werden (Verlauf, Therapiedauer, Vorteile und Risiken, statistische Darstellung der Erfolgschancen, Fallbeispiele für unproblematischen und problematischen Verlauf sowie eine Evaluation der Kurz- und Langzeitfolgen einer Stichprobe entsprechender Eingriffe allenfalls mit persönlichen Berichten von Betroffenen). In der Dokumentation wird mindestens ein Kontakt angegeben, der weitere Informationen geben kann (z.B. auch einschlägige Selbsthilfegruppen).

Woher können solche Dokumentationen stammen? Sie wären von den fachärztlichen Gesellschaften in Zusammenarbeit mit Spitälern / Universitäten und Therapeuten (z.B. Physiotherapeuten) auszuarbeiten. Für den Start eines solchen Konzepts und das Erfahrungsammeln würde ein halbes Dutzend Dokumentationen zunächst reichen (Pilot). Dieses Konzept könnte sogar lokal von einer Ärztegruppe initiiert werden. Es bedarf keiner rechtlichen-politischen Entscheidungen. Nach und nach wäre dieser Bestand an Dokumentationen auszubauen und deren Verwendung auch in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen zu implementieren. Mit der unterschriftlichen Zustimmung zu einer Massnahme bestätigt der Patient, die Dokumentation erhalten zu haben. Die Kostengutsprache durch die Krankenkasse erfolgt erst, wenn damit sichergestellt ist, dass der Patient ausreichend informiert worden ist.

Ziel muss ein «Empowerment» des Patienten sein. Wenn sich eine Kultur etabliert, die den Patienten wirklich in die Entscheidung einbezieht, wenn sich tatsächlich «der» mündige Patient entwickelt und dieser die Möglichkeit ernsthaft erwägen kann, z.B. nicht zu operieren, sondern es allenfalls mit anderen therapeutischen Massnahmen zu versuchen oder mit gewissen Beschwerden zu leben, wird die Einbahnstrasse Diagnose > Therapie von ihrer zwingenden Konsequenz befreit – und das System von Kosten entlastet.

Beispiele
Es gibt sehr viele Situationen, in denen Massnahmen ohne das beschriebene Vorgehen umgehend eingeleitet werden müssen. Es bleiben aber sehr viele zum Beispiel sogenannte Wahleingriffe, die im beschriebenen Sinn zu reflektieren sind. Hier einige Beispiele, teils selbst erlebt, teils aus meinem näheren Umfeld:

  • Allgemeinarzt (Hausarzt) diagnostiziert Hüftarthrose und folgert umgehend: muss operiert werden. Er überweist an den Orthopäden. Dieser räumt dem Patienten allerdings Entscheidungsfreiheit ein: Sie müssen selber entscheiden, ob oder wann … Patient versucht Behinderungen und Schmerzen bis auf weiteres mit physiotherapeutischer Hilfe einzugrenzen.
  • Kardiologe, führt Ultraschall-Diagnose durch. Unmittelbar anschliessend die Schlussfolgerung: Herzklappen-Insuffizienz. Muss operiert werden. Sie können entscheiden ob sie die Klinik in X oder diejenige in Y aufsuchen wollen. Die Rückfrage des Patienten betreffend Risiken, wenn nicht operiert wird, führt nicht zu einem einigermassen klaren Bild. Zweitmeinung einer Kardiologin: Diagnose bestätigt, Schlussfolgerung nicht. Zuwarten, beobachten. (Drei Jahre nach der ersten Diagnose sind begrenzt körperliche Defizite zu verzeichnen.)
  • Onkologe diagnostiziert Myelom. Chemotherapie. Onkologe möchte Zelltherapie durchführen, wovon sich der Patient grundsätzlich distanziert. Sie wird unterlassen. Später spricht der Onkologe erneut von einer «Intensivierung der Therapie», womit erneut Zelltherapie gemeint ist. Dem Patienten wird ein Termin beim Myelom-Spezialisten im Universitätsspital vermittelt. Spezialist: mit der aktuellen Therapie können sie noch jahrelang mit guter Lebensqualität leben. Abgesehen davon ist der Nutzen einer Zelltherapie in ihrem Alter fraglich.
  • Patient, stark übergewichtig, hat Kniegelenk-Schwierigkeiten. Möchte ein neues Kniegelenk. Orthopäde entspricht dem Wunsch. Von flankierender Gewichtsreduktion ist nicht die Rede.
  • Patient kommt mit Dupuytren zum Handchirurgen. Operation wird durchgeführt. Nachkontrollen bis zur Verheilung der Narben. Keine spätere Nachkontrolle der Entwicklung der Fingerstellungen und -beweglichkeit.
  • Patient erleidet einen komplizierten Bruch des Fusses / Fussgelenks. Operation, gute Verheilung. Nach sieben Jahren treten Schmerzen in der Hüfte auf. Vermutlich durch Entlastungshaltungen haben sich die beiden Hüften in der Höhe verschoben und einseitige Belastungen verursacht. Hätten Kontrollen in grösseren Abständen und Haltungstherapie dies verhindern können? Der Orthopäde hatte damals den Fall abgeschlossen. Der weitere Verlauf war nicht sein Job.

Die in der Politik diskutierten Kosten-Massnahmen versprechen, auf einen Schlag Milliarden von Franken einzusparen. Der hier vorgestellte Vorschlag macht keine solchen Versprechen. Würde er aufgegriffen, könnte er allerdings einen kulturellen Wandel bewirken, der viel nachhaltiger ist als eine gewonnene Rabattschlacht mit der Pharmaindustrie oder einem Tarif- oder Fallpauschalenmodell, das den Ärzten aufgezwungen wird.

 

Mit diesem Beitrag beende ich die Publikationen auf dieser Website.

 

Wissenschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeit

Oft tritt die Homöopathie-Debatte als Wissenschaftlichkeitsdebatte auf: Weil Homöopathie (ebenso anthroposophische Medizin) nichts nützt, kann man sie streichen und damit sparen. Man kommt allerdings um die Feststellung nicht herum, dass die Wissenschaftlichkeitsdebatte höchst unwissenschaftlich geführt wird. Hier wende ich mich allerdings nicht der Wissenschaftlichkeits- sondern der Wirtschaftlichkeitsfrage zu. Diese sollte allerdings auch Kriterien der Rationalität folgen. Es dürfte kaum Widerspruch erwecken, wenn ich hier fordere, dass die Frage nach Möglichkeit ganzheitlich oder systemorientiert angegangen wird und man es nicht dabei bewenden lässt, einzelne Aspekte herauszupflücken und unters Mikroskop zu halten. Diese herauspflückende Art von Debatte dominiert allerdings im Gesundheitswesen. Unwissenschaftlich ist vor allem auch, im Rahmen der Kostendiskussion irrelevante mit relevanten Aspekten zu vermischen. Die Frage der Wirksamkeit eines einzelnen Präparats einerseits ist ein rein wissenschaftliches Thema mit gelegentlich fast vernachlässigbarem finanziellem Impact. Die Frage der Kosteneffizienz andererseits ist ein davon weitgehend unabhängiger Aspekt. (Dies legen zwei Studien nahe, die ich unten zitiere.)

Die aktuelle Kostendebatte im Gesundheitswesen – soweit sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann – beschäftigt sich, wie eben festgestellt, gerne mit Einzelfaktoren (und ist im eben formulierten Sinn unwissenschaftlich). Beliebte Einzelfaktoren, über die oft debattiert wird, sind Medikamentenpreise, Arzttarife und Krankenhausbetten. Ab und zu wird ein Facharzt zur Guillotine geführt, der gemäss seiner Rechnungstellung mehr als 24 Stunden pro Tag gearbeitet haben muss oder ein Chefarzt, der das Skalpell offenbar in mehreren Operationssälen gleichzeitig geführt hatte. Ein Faktor, der kaum zu Diskussionen und Regulierungen Anlass gibt, ist der Patient. Der Patient ist marginalisiert, obwohl Gesundheitsökonomen immer wieder mal versuchen, das Gesundheitswesen als Markt zu betrachten. Dass der Patient hier als Kunde (und damit als potentieller König) angesehen wird, wirkt fast wie eine Karikatur. Im Markt ist der Kunde eigebtlich Subjekt. Im Gesundheitswesen ist er Objekt oder abhängige Variable. Also kommt er in den Überlegungen zu Kostenbremsen oder -einsparungen als Entscheidungsträger gar nicht vor.

Wirtschaftlichkeit

Ob ein Auto wirtschaftlich ist, findet man nicht dadurch heraus, dass man die Herstellerangaben zum Treibstoffverbrauch konsultiert. Nicht weil diese Angaben gezinkt sein könnten, sondern weil Aspekte wie Zuverlässigkeit, Reparaturanfälligkeit usw. wirtschaftlich viel stärker ins Gewicht fallen als der Treibstoff. Noch viel weniger lässt sich die Wirtschaftlichkeit von Homöopathie und anthroposophischer Medizin im Labor prüfen. Es gibt nur einen Ort, wo sich die Wirtschaftlichkeit überprüfen lässt. Das ist die Bilanz der Krankenkassen. Und darum dreht sich ja die ganze Diskussion: um die Höhe kostendeckender Krankenkassenprämien. An diesem Messpunkt wurden zwei Studien durchgeführt, deren Zusammenfassung vom 30.9.2020 ich der Website der Carstens-Stiftung entnehme (https://www.carstens-stiftung.de):
«Die Gesundheitsforen Leipzig, ein auf Versorgungsforschung im Gesundheitswesen spezialisiertes Analyse-Institut, wertete die Daten von 15.700 Versicherten der Securvita aus, die mindestens drei Jahre lang regelmäßig bei Kassenärzten mit homöopathischer Zusatzqualifikation in Behandlung waren. Als Kontrolle diente eine gleich große und in den wesentlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht etc.) übereinstimmende Vergleichsgruppe von Patienten, die während der Studiendauer keine homöopathische Behandlung erhielten.

Auffällige Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zeigten sich beispielsweise hinsichtlich der Verordnung von Antibiotika: Ab der Geburt verringerte sich bei Kindern in der Homöopathiegruppe die Zahl der Antibiotika-Behandlungen im dreijährigen Untersuchungszeitraum um 17%, während sie in der Vergleichsgruppe um 74% stieg (absoluter Unterschied: 91% weniger Antibiotika mit Homöopathie). Ein detaillierter Vergleich anhand von Diagnosegruppen förderte überdies zutage, dass Kleinkinder mit Allergien, Neurodermitis und Asthma im Hinblick auf verschiedene gesundheitlich relevante Kennzahlen besonders von der homöopathischen Behandlung profitierten.

Ähnliches zeigte sich für Erwachsene: Bei der Versorgung von Patienten mit Depressionen, Krebs und mehrfachen schweren Krankheiten zeigten sich deutliche Vorteile für die Homöopathiegruppe in Bezug Krankenhauseinweisungen, die Dauer von Klinikaufenthalten und Krankenfehltage. Für die Wirtschaft und das Gesundheitswesen sind Arbeitszeitverluste ein besonders relevanter Faktor. Im Laufe der Studie sank beispielsweise die Zahl der Krankschreibungstage mit homöopathischer Behandlung um 16,8 %, ohne Homöopathie stieg sie um 17,3 % (absoluter Unterschied: 34,1% weniger Fehltage durch Depressionen mit Homöopathie).

Die Wissenschaftler der Gesundheitsforen Leipzig resümieren: «Im Untersuchungszeitraum „zeigte sich bei fast allen untersuchten Indikationen und Gruppen eine positive Entwicklung im Sinne von sinkender Morbidität und abnehmender Inanspruchnahme von Krankenversicherungsleistungen“ für die (zusätzlich) homöopathisch behandelten Patienten.» Kurz: (Kosten-) Wirksamkeit ist nachweisbar. Der Wirkungsmechanismus ist einigermassen gleichgültig, wo es vor allem um Wirtschaftlichkeit geht.

Im Unterschied zur Nationalfonds-Studie des Basler Ökonomie-Professors Jürg H. Sommer (vgl. NZZ 12.11.1998), bei der aus dem Helsana-Versichertenkollektiv 7500 Probanden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden und mit einem komplementärmedizinischen Angebot versehen worden sind, wurde bei der Securvita-Studie ein Kollektiv von Komplementärmedizin-Nutzern untersucht. Sommer stellte fest, dass die Kosten mit zusätzlichen Komplementärmedizin-Angeboten eher steigen, während sie in der Securvita-Studie signifikant tiefer liegen. Sommer-Fazit in der NZZ: «Die Hypothese, wonach ein umfassender Einbezug alternativer Heilmethoden zu einer Senkung der Gesundheitskosten führt, kann auf Grund dieses Experiments somit nicht empirisch gestützt werden. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zur verbreiteten Meinung in der Bevölkerung, wonach ein vermehrter Einsatz von Alternativmedizin die Gesundheitskosten senkt.» Sommer tut den unbegreiflichen Fehltritt, das wissenschaftliche Prinzip der Zufallsauswahl am falschen Ort anzuwenden: der Patient kommt als Entscheidungsträger nicht vor. Das ist zu erläutern – zunächst der Irrtum anhand eines Beispiels: Wenn ich mit einer Marktstudie herausfinden will, was Bräute an ihrem Hochzeitstag besonders schätzen, dann werde ich sicher nicht eine zufällig ausgewählte Gruppe aus der Bevölkerung, Männer und Frauen jeglichen Alters umfassend, befragen – sondern halt eben Bräute. Wenn ich sinnwidrig den Zufall spielen lasse, dann sage ich implizit: Lebenssituation, Wissen und Motive der eigentlich zu untersuchenden Gruppe (hier der Komplementärmedizin-Patienten und allenfalls Ärzte) sind egal, spielen keine Rolle und interessieren nicht. Der Patient mit seinen Motiven, seinem Wissen und Verhalten ist ein irrelevantes Randphänomen des Gesundheitswesens. Bei den tatsächlichen Kosteneinsparungen sind die tatsächlichen «Sparer», die Homöopathie-Anwender ausschlaggebend, nicht eine hypothetische Labor-Auswahl nach Zufallsauswahl wie bei Professor Sommer.

Thesen zum Gesundheitssystem

Ich bin nicht Mediziner, auch nicht Medizinsoziologe, nur interessierter Akademiker und Wirtschaftsmensch in fortgeschrittenem Alter und somit fast zwangsläufig auch Patient. Als solcher stelle ich Beobachtungen an und komme zu Fragen, teilweise Hypothesen, die das vorliegende Thema berühren. (Der Einfachheit halber beschränke ich wie schon oben mich auf die männliche Form.)

Eine Hypothese (1) lautet: Das Medizinsystem, konkreter das Handeln oder Entscheiden von Ärzten, ist hochgradig von Standards geprägt. Es funktioniert nach dem Muster: Wenn Wert A erreicht ist oder das mit Röntgen oder Ultraschall diagnostizierte organische Problem B festgestellt wird, dann muss Massnahme C ergriffen werden. Weil der Mensch offenbar als Standardorganismus angesehen wird, sind Standards anwendbar. Ein vertieftes Eingehen auf individuelle Besonderheiten ist von untergeordneter Bedeutung. Der Patient ist allenfalls eingeladen zu entscheiden, ob er den Eingriff in Klinik X oder Y machen lassen will. (Das Alter scheint bei der Anordnung eines Eingriffs keine Rolle zu spielen. Eine Herzoperation lässt sich auch bei einem 90-jährigen vornehmen.)

Eine weitere Hypothese (2) lautet: wenn der Patient von Symptomen berichtet oder z.B. in Laborbefunden bestimmte Werte sichtbar werden, folgen keine Fragen an den Patienten oder ein Gespräch, um ein allenfalls vorliegendes Problem einzugrenzen, sondern es werden kurzerhand zusätzliche Labor- und apparative Untersuchungen angeordnet. (Beispiel: zwei Medikamente von zwei verschiedenen Fachärzten sind möglicherweise die Ursache von Verdauungs- /Darmproblemen. Die Frage nach möglichen Inkompatibilitäten der Medikamente scheint unüblich zu sein. Es wird ohne weitere Fragen eine Darmspiegelung angeordnet. Nützts nüüt, so schadts nüüt, ausser dass es kostet.) Auf die Frage nach einzelnen, auf dem Beipackzettel des Medikaments aufgeführten Nebenwirkungen folgt die Antwort: Vergessen Sie den Beipackzettel. Er hat nur die Funktion eines Disclaimers.

Die dritte Hypothese geht vom Umstand aus, dass es Lebensumstände gibt, die zu bestimmten gesundheitlichen Problemen führen (Beispiel Übergewicht zu Gelenkproblemen). Ich kann ohne tiefergehende Recherchen Verallgemeinerungen nicht vermeiden, wenn ich vermute, dass sich (in diesem Fall) Orthopäden allzu oft als Dienstleister verhalten und eine Operation anordnen, auch ohne dass zuvor das Gewicht gesenkt worden wäre und ohne dass Followup-Massnahmen eingeleitet würden.
Zur ersten und dritten Hypothese ist aus der eigenen Erfahrung und derjenigen aus meinem Umfeld nachzutragen, dass eine Neigung besteht, gleich eine «grosskalibrige» Massnahme vorzuschlagen, also eine Zelltherapie statt einer Chemotherapie, eine Kniegelenkoperation statt physiotherapeutischer Behandlung (beispielsweise GLAD) usw.

Der Patient muss primär Subjekt, nicht nur Objekt sein

In Bezug auf die Hypothesen:

Den Situationen, die ich bei den drei Hypothesen im Auge habe, ist gemeinsam, dass der Patient überhaupt nicht oder nur marginal einbezogen wird. Er wird nicht darüber ins Bild gesetzt, welches die Folgen sind, wenn von einer Behandlung gänzlich abgesehen wird oder eine Behandlung angeordnet wird, die vielleicht nur eine Linderung oder eine Verlangsamung bewirkt. Er kennt das Risiko nicht, das besteht, wenn er eine Behandlung ablehnt. Er wird nicht gefragt, ob er gewisse Schmerzen oder Atembeschwerden in Kauf nehmen wolle.

Diese Befunde in Bezug auf die Securvita-Studie:

Offensichtlich gibt es eine Population, die sich bei Komplementärmedizinern einfindet, die selber bereits eine «gesundheitsstrategische Meinungsbildung» hinter sich hat. Inwiefern diese Population präventiv handelt und damit bereits eine bessere Disposition im Krankheitsfall mitbringt, dürfte schwer zu eruieren sein. Öfter wird in Untersuchungen hervorgehoben, dass Komplementärmediziner (Ärzte) grösseres Gewicht auf das Gespräch, auf Kommunikation legen. Das hat nicht nur «Wohlfühl-Folgen», sondern dürfte entscheidend für ein zurückhaltenderes Entscheidungsverhalten bei allen therapeutischen Fragen sein – mit unmittelbaren Auswirkungen auf die weiteren Therapiekosten.

Folgerungen in Bezug auf die Forderungen nach einer Streichung der Homöopathie

Nach einer allfälligen Streichung der Kostengutsprache von homöopathischen Medikamenten dürfte ein Teil der Patienten ihren Arzt weiterhin aufsuchen und die Kosten der komplementärmedizinischen Medikamente selber tragen. Andere Patienten, zum Beispiel diejenigen, die weite Wege zurückzulegen haben, werden sich in «konventionelle» Behandlung begeben und sich dort die üblichen pharmazeutischen Therapien und Medikamente verschreiben lassen. Dass die geschätzten Kosten von 20 bis 50 Millionen € sozusagen ersatzlos wegfallen könnten, dürfte eine grobe Täuschung sein. Die höheren konventionellen Therapiekosten dürften den Wegfall mindestens kompensieren. Aber eben, wenns ums Prinzip geht, können auch Einsparungen im Bereich von 0.01% als Erfolg gefeiert werden.

Folgerungen in Bezug auf Einsparungen im Gesundheitssystem insgesamt

Es erscheint etwas kühn, Folgerungen für einen Bereich zu formulieren, der permanent von unzähligen mindestens intellektuell gescheiten Leuten nach Einsparmechanismen abgesucht wird. Meine (offenbar nicht selbstverständliche) zentrale Folgerung ist: Der Patient ist Bestandteil des Gesundheitssystem. Seine Einstellungen und Verhaltensweisen sind ausserordentlich kostenwirksam. Ich denke hier nicht an die vielfältigen Angebote präventiven Verhaltens, von der Ernährung, Suchtvermeidung bis zu Sport, Yoga oder Qigong. Ich denke unmittelbar an den Urteilsprozess im Hinblick auf Therapien.

Natürlich handelt es sich hier um das klassische Dilemma einer Situation, in der sich Experte und Laie mit entsprechendem Machtgefälle einander gegenübersitzen. Heute wird diese Situation wohl viel zu oft buchstäblich stillschweigend ausgespielt. Die Krankenkasse gewährt ja nur zwanzig Minuten Sprechstundenzeit. Der Patient beschränkt sich darauf zu unterschreiben, dass er alle Risiken eines Eingriffs zur Kenntnis genommen hat und akzeptiert. Da ich wenig Vertrauen habe, dass ein Appell an die Ärzte, Patienten in Urteilsbildungs- und Entscheidungsprozesse einzubeziehen, in wenigen Jahren fruchten würde, könnte ich mir eine gesonderte, unabhängige Beratungsfunktion als hilfreich vorstellen, die bei der Planung einer umfangreicheren Intervention (Eingriff oder langandauernde medikamentöse Therapie, Schwelle wäre zu definieren) zwingend zu konsultieren wäre. Damit diese Möglichkeit genutzt würde, müssten behandelnde Ärzte ebenso wie die Krankenkassen über diese Beratungsmöglichkeit orientieren.

Eine solche Beratung könnte auch in Aktion treten, wenn bestimmte, aus der Nutzenperspektive fragwürdige Therapien vorgeschlagen werden. Darüber schrieb Alain Niederer in der NZZ vom 26.9.2023. Gemäss diesem Artikel gibt es verschiedenste Ansätze, Nutzen und Schaden bestimmter Therapien zu evaluieren. Es gab das Swiss Medical Board, dass z.B. Mammografie- und Prostata-Krebs-Screenings in Frage stellte. Das habe über die Medizin hinaus kleiner Erdbeben ausgelöst. (Niederer: «Das Swiss Medical Board wurde Ende 2021 zu Grabe getragen.») Sodann gab es das Health Technology Assessment (HTA), das Nutzen und Kosten von Therapien evaluierte. (Niederer: «In der Schweiz ist das Thema HTA ein Trauerspiel.»). Allenfalls führen die beiden letzten Sätze in Niederers Beitrag zu meinem Anliegen zurück: «Dabei müsste auch unser Umgang mit Gesundheitsthemen reflektiert werden. Denn viele Patienten und Ärzte glauben intuitiv, dass mehr und teurere Medizin ein Qualitätszeichen sei.» Dieser «intuitive Glaube» könnte in der Beratungssituation reflektiert werden. Die Vis-àvis-Situation in der Sprechstunde ist für den Arzt Routine, für den Patienten Ausnahmesituation, in welcher eben diejenigen Entscheidungen gefällt werden, die unser Gesundheitssystem teuer machen.

Natürlich ist das Stichwort Beratung noch keine Lösung. Zu beantworten wäre mindestens: Welche Qualifikation müssen Berater mitbringen? Wo sind sie zu finden? Wer bezahlt sie? Wie schützen sie sich vor den Lobbies?

Abschliessend nochmals zu meinem Anliegen: Es geht mir hier um Kosteneinsparungen. Ich gehe davon aus, dass die Urteilsbildungen und Entscheidungen und die Partizipation der Patienten ausschlaggebend bzw. kostenwirksam sind. Die Frage der Wirksamkeit von Homöopathie und anthroposophischer Medizin ist ein gesondert zu debattierendes Thema. Es eignet sich nicht für Polemiken oder weltanschaulichen Fundamentalismus, der allzu oft nicht mit Empirie, sondern mit Apriori-Urteilen operiert. Deshalb kann es in dieser Debatte auch nicht «ums Prinzip» gehen. Fatal ist vor allem der Glaube, die Debatte um die Wirksamkeit der Homöopathie habe etwas mit Wirksamkeit zu tun – mit Wirksamkeit im Bereich Kosten des Gesundheitswesens.

Monopolisierung der Empathie

Die wenigen Andeutungen im Intro zeigen, dass der Krieg längst nicht nur mit physischen Waffen ausgetragen wird. Umgehend wurde von «Leitmedien» autoritativ verfügt, dass jedes «Aber» nach Bekundung des Entsetzens deplatziert sei. Jeder Verweis auf Leiden von Palästinensern, insbesondere der Bewohner des Gaza-Streifens, wurde zum zwingenden Hinweis auf eine antisemitische Haltung. Die ganze Aufmerksamkeit musste dem Entsetzlichen des 7. Oktobers gelten. Anderes, vor allem eine Einbettung in die aktuelle Situation und deren Entwicklung durfte keinen Platz einnehmen. Wer dies nicht akzeptierte, wurde umgehend zum Antisemiten gestempelt (eine Zuschreibung, die ganz besonders in Deutschland sehr schnell zu Hand ist). Eine üble Camouflage betrieb Georg Humbel in der NZZ, der die Gesellschaft Schweiz-Palästina der Israelfeindlichkeit bezichtige, denn sie habe ein Gedicht mit Nazi-Vergleich gepostet, wie Felix Schneider im Infosperber vom 3.12.2023 berichtet. «Darin werden die Palästinenser mit gequälten KZ-Häftlingen in Auschwitz während des Zweiten Weltkriegs verglichen. Israel habe das palästinensische Volk ebenfalls in Lager gesperrt. Und wenn es sich zu wehren versuche, bedrohe Israel es mit Bomben und Napalm». Der NZZ-Autor verschweigt, dass das Gedicht von Erich Fried, einem Juden, stammt. Er zitiert Fried (ohne ihn zu nennen): «Ich hoffe sogar, auch ohne jüdisches Volksbewusstsein oder israelisches Nationalgefühl, sozusagen nebenher, ein besserer Jude zu sein als jene Chauvinisten und Zionisten, die, was immer ihre Absicht sein mag, in Wirklichkeit ‘ihr Volk’ immer tiefer in eine Lage hineintreiben, die schliesslich zu einer Katastrophe für die Juden im heutigen Israel führen könnte.»

Selbst Schweigen ist verdächtig. So schreibt Birgit Schmid in der heutigen NZZ: «Seit #MeToo lautet ein Aufruf unter Frauen: ‹Speak out›, schweigt nicht, sagt eure Meinung! Der Ruf ertönt weltweit, und er wird weltweit befolgt. Frauen ermutigen einander, ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt und Sexismus zu teilen. Sie werden gehört, und es wird ihnen geglaubt. Man zeigt gegenseitig Mitgefühl. Doch seit dem Massaker der Hamas in Israel merkt man von dieser Solidarität wenig. Viele linke Feministinnen, Aktivistinnen und Frauenorganisationen schweigen seit dem 7. Oktober, und das tönt laut.» Es gilt inzwischen der Grundsatz: wer sich nicht mit Israel solidarisiert, solidarisiert sich mit der Hamas. Zwischentöne verschwinden. So kann Richard Herzinger formulieren: «Dass sich die berühmte Philosophin Judith Butler und zahlreiche andere prominente westliche Linksintellektuelle mit der massenmörderischen Hamas solidarisieren, ist schockierend. Wirklich überrascht sein kann davon jedoch nur, wer Antisemitismus noch immer ausschließlich auf der politischen Rechten verortet. In Wahrheit jedoch ist Judenfeindschaft, die sich heute vor allem in der obsessiven Verdammung Israels äußert, in der linken Ideologiegeschichte tief verankert.» (Perlentaucher 20.11.2023) Seine Herleitung führt bis Voltaire und Proudhon zurück und nennt selbstverständlich auch die vergangene DDR Staatspartei SED. Von Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich (rechtsextreme Minister der Netanyahu-Regierung) und ihrer Ideologie der «jewish supremacy» ist derzeit nicht die Rede, ebensowenig von der Siedlerbewegung und den seit dem 7. Oktober weit über hundert getöteten Palästinensern im Westjordanland erzählt Herzinger nicht. Wie schon festgestellt: Zwischentöne verschwinden.

Das Recht sich zu verteidigen

Selbstverständlich hat Israel das Recht sich zu verteidigen. Verteidigung kann durchaus heissen, sich gegen einen bewaffneten Angriff mit Waffen zu wehren und die Urheber des Angriffs dingfest zu machen. Netanyahu behauptet, die derzeitigen Bombardierungen von Städten in Gaza und die Bodenoffensive dienten diesem Zweck. Es braucht wenig militärischen und politischen Sachverstand um zu urteilen, dass der Feldzug von Netanyahu grenzenlos dumm ist. (Abgesehen davon, dass er unsägliches Leid verursacht.). Man muss sich nur die Situation vor Augen führen: Der Gaza-Streifen ist ein Territorium von der Grösse etwa des Kantons Schaffhausen, umgeben von einer Art Gefängnismauer. Dieses ganze Territorium ist mit einer Bevölkerung besiedelt, die dichter beisammen lebt als die Bevölkerung der Stadt Zürich. Von der einen Hälfte des Gaza-Streifens wurde die Bevölkerung in die andre Hälfte getrieben (damit also doppelte Dichte von Zürich). Auch in jenem Teil erfolgte kürzlich die Aufforderung, Gebiete zu räumen (weitere Verdichtung – ohne Unterkünfte und Versorgung). Und mitten in dieser kompakten Masse von Menschen befinden sich einige Tausend Hamas-Leute, die Netanyahu ausschalten will. Egal: «Israel will nun auch im Süden des Gazastreifens bis zum ‹totalen Sieg› kämpfen» titelt heute die NZZ. Und mit dem totalen Sieg winkt der ewige Friede für Israel? Der totale Sieg wird bedeuten, dass ein grosser Teil der Überlebenden einen grenzenlosen Hass auf Israel entwickeln wird – sofern sich dieser Hass in der Ghetto-Situation mit seinen Gefängnismauern nicht schon längst entwickelt hat. Ist Netanyahu tatsächlich so dumm, dies nicht zu sehen? zu glauben, dass man auf dem Weg der Vernichtung zu einem friedlicheren Zusammenleben kommen könnte? Vielleicht ist Netanyahu nicht dumm, sondern nur grenzenlos egoistisch. Er weiss aus der Geschichte, dass Kriegsherren Popularität gewinnen und er in bevorstehenden Wahlen erneut als Premierminister gewählt werden und damit der bevorstehenden Verurteilung wegen Korruption entgehen könnte. (Siehe dazu auch Uriuel Abulof in www.geschichtedergegenwart.ch.)

Das wohlfeile Attribut «Antisemit»

Es mag sein, dass Antisemitismus in den letzten zehn Jahren zugenommen hat, wie vielerorts zu lesen ist. Was ganz sicher zugenommen hat, ist die «grosszügige» Verteilung des Attributs «Antisemit» an Menschen, Aussagen und Bevölkerungsgruppen. Als disbezüglich besonders «grosszügig» erweist sich Josef Schuster, Präsident des jüdischen Zentralrats in Deutschland. Als Gil Ofarim mit der Lüge aufwartete, er sei an einer Hotel-Reception antisemitisch gemobbt worden, solidarisierte sich Schuster – wie andere auch – umgehend mit Ofarim. Nach Ofarims Geständnis, er habe gelogen, entschuldigten sich Einzelne beim Hotelmanager. Von Schuster habe ich nichts dergleichen gehört. Er kritisiert nun Ofarim ...
Manchmal braucht es keinen Tatbeweis, es genügen Argumentationsstrukturen,  «Sprachbilder» oder eine «Ableitung» – Beispiel Daniele Ganser: 1. Ganser ist Verschwörungstheoretiker (muss nicht belegt werden, weiss man ja); 2. Verschwörungstheoretiker sind rechtsextrem (Gansers Rechtsextremismus muss nicht nachgewiesen werden, leitet sich von seinen Verschwörungserzählungen her – siehe Rebecca Seidler von der Jüdischen Gemeinde Hannover in Jüdische Allgemeine vom 9.3.2023: «Verschwörungserzählungen, die häufig in antisemitischen Sprachbildern enden»); und schliesslich 3. Rechtsextreme sind Antisemiten – Voilà!
Die Wochenzeitung (WOZ) zog es vor zu recherchieren statt zu spekulieren, als sich abzeichnete, dass Ganser im Volkshaus einen Auftritt haben würde:
«Volkshaus-Präsident Bütikofer sagt: ‹Die Betriebskommission hat beim israelitischen Gemeindebund nachgefragt, ob er Ganser und seine Theorien als antisemitisch erachtet. Er hat dem Volkshaus mitgeteilt, er habe bisher keine antisemitischen Vorfälle bei Ganser registriert.› »

Die zwei Ebenen des Krieges

Bereits am 9. Oktober hatte der jüdische Historiker Michael Wolffsohn einen ganzseitigen Artikel in der NZZ. Er konzediert eingangs: «der scheinbar vermessene Versuch, mitten im Krieg diesen historisch einzuordnen, [sei] eine willkommene, ja notwendige Herausforderung, um Rationalität über Emotionalität obsiegen zu lassen.» Meines Erachtens ist Wolffsohn gescheitert. Historische Einordnung bedeutet für ihn u.a. darauf hinzuweisen: «Israel trägt nicht mehr die Verantwortung für das Schicksal der Palästinenser im Gazastreifen. Dieses Gebiet hat 2005 der als Falke verschriene Ministerpräsident Ariel Sharon – gegen den massiven Widerstand von Benjamin Netanyahu und anderen – vollständig räumen lassen.» Gaza also ein freier, souveränder Staat? Das ist bestenfalls das Votum eines Juristen, nicht die Einordnung eines Historikers. Und selbst ein Staatsrechtler würde wohl einige Vorbehalte an der These der Selbstverantwortung von Gaza anbringen. Mit dieser Art von Stellungnahme eines Professors legte die NZZ den Pfad fest, dem sie in den nächsten Wochen zu folgen beabsichtigte und – mit wenigen Ausnahmen bis heute – folgt. Sie trägt skrupellos bei zur Polarisierung. Und am anderen Pol wird wird für die Palästinenser mobilisiert.

Die unsägliche Not und Brutalität derzeit im Gazastreifen bildet die eine Ebene des Kriegs, die andere Ebene wird durch die Mobilmachungen auf der Kommunikationsebene gebildet. Beides ist dermassen destruktiv und jenseits eines Weges, der zu einer Lösung führen könnte, dass Verstummen die einzige Möglichkeit zu bleiben scheint, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Im Rahmen meiner Beschäftigung mit dem Israel-Palästina-Konflikt blieb mir immerhin ein Lichtblick, wenn dieses Licht im Ganzen gesehen auch nur ein winzig kleines Flämmchen ist: Sari Nusseibeh. Nusseibeh ist Spross einer uralten Jerusalemer Familie, Oxford-Absolvent, Philosophieprofessor und emeritierter Rektor der Al Quds-Universität. Sein Buch Es war einmal ein Land ist leider vergriffen.

Nusseibeh weist immer wieder auf das aggressive Verhalten der israelischen Regierungen gegenüber gewaltlosen, zivilgesellschaftlichen Initiativen, ausgehend von palästinensischen oder israelisch-palästinensischen zivilgesellschaftlichen Persönlichkeiten oder Gruppen hin. Hier scheint sich der (israelische) Staat immer hilflos gefühlt zu haben. Gegen Intifada und terroristischer Gewalt konnte mit Gewalt zurückgeschlagen werden. In diesen Fällen schien Gewalt in der Weltöffentlichkeit legitimiert. 1987 wurde Nusseibeh von der italienischen Universität Pavia zu einem Vortrag eingeladen. Darüber schreibt er – und mit diesem Zitat will ich schliessen und mich erneut dem Verstummen hingeben:

«In meinem Vortrag widmete ich mich der Lage der palästinensischen Gefangenen. Als Einstieg wählte ich den Gedanken der Freiheit und des freien Willens, der untrennbar mit der individuellen und nationalen Identität verbunden ist. Dann schilderte ich meine Erfahrungen mit Studenten, die lange Stunden in der Verhörzelle zugebracht hatten und sie dank ihrer Weigerung, ein Geständnis abzulegen, am Ende mit einem neuen Selbstwertgefühl verließen und häufig zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich spürten, was Freiheit bedeutete. Freiheit, sagte ich, ist keine angeborene Eigenschaft, die uns auf die Stirn gebrannt ist wie der Strichcode einer Ware; sie ist auch nichts Äußerliches wie ein Pass oder das nötige Geld auf dem Sparkonto. Freiheit ist ein Ausdruck des Willens, und das Ausmaß, in dem man über sie verfügt, hängt unmittelbar davon ab, inwieweit man in der Lage ist, Angst und Egoismus zu überwinden. Durch die Ausübung des Willens können der Einzelne wie die Nation den Schlagstock des Folterers unwirksam machen und auf diese Weise eine eigene Identität entwickeln.»

Was bedeutet «Windows of Opportunity»?

Meine naive Sicht

1965 war ich als Jugendlicher in Israel. Es war eine Zeit der unbegrenzten Sympathie für das tapfere und tüchtige jüdische Volk, das sich erfolgreich gegen seine feigen Gegner wehrte, wie man das damals empfand. Diese Sichtweise war mindestens in christlichen Kreisen verbreitet. Für Sozialisten kamen die Kibutzim hinzu, die Ideen wie Gemeineigentum usw. umgesetzt hatten. Kurz: die Begeisterung in der Schweiz und in unserer Reisegruppe, einem Chor und Orchester mit alten Instrumenten, war gross. Auch die Begeisterung der Zuhörer der vielen Konzerte in Israel war offensichtlich.

Es geschah öfter, dass einhellige Begeisterung meine Skepsis weckte. Jedenfalls beschäftigte ich mich nach der Reise während Jahren – eigentlich bis heute – mit diesem Nebeneinander und Ineinander von zwei Völkern in Palästina. Ich lernte den Bürgermeister eines palästinensisch-israelischen Städtchens und seine Schwierigkeiten kennen. Ich blieb im Briefkontakt mit einem Musikprofessor in Jerusalem. Ich las Artikel und Bücher wie dasjenige von Sari Nusseibeh, dem gebürtigen Jerusalemer Philosophen und Rektor der Al-Quds-Universität.

Anfangs beschäftigte mich die Frage, wer in diesem Konflikt im Recht sei. Denn ich glaubte damals, dass die Beantwortung der Frage nach der Rechtmässigkeit auch zur Lösung des Konflikts führen müsste. Mit anderen Worten: ich nahm genau die Haltung ein, die in Bezug auf die Ukraine derzeit in verschiedensten Foren diskutiert wird. Mit Heftigkeit wird heute auf die Verletzung des Völkerrechts durch Russland hingewiesen (und von niemandem bestritten), während andere mindestens eine Mitschuld, wenn nicht gar den Auslöser beim Westen, v.a. der USA sehen (siehe beispielsweise die Kommentare am Schluss). Die Ukraine selber beziehungsweise ihr Präsident wiederholt verständlicherweise immer wieder, dass die Auseinandersetzung erst beendet sei, wenn die rechtmässigen Grenzen von vor 2014 wieder hergestellt seien.

Für sehr viele Konflikte ist dieses Verhalten typisch. Weshalb soll man denn seine gerechten Ansprüche aufgeben? Und trotzdem werden Konflikte zwischen Staaten oder Volksgruppen kaum je dadurch beendet, dass altes Recht wiederhergestellt wird – man denke an Nordirland oder an den schweizerischen Jurakonflikt. Dies wird besonders dann gar nicht möglich sein, wenn seit Beginn der Grenzüberschreitungen viel Zeit vergangen ist. Denn in dieser Zeit sind (z.B. auf der Krim) ursprüngliche Bewohner ausgewandert und andere eingewandert. Altes Recht kann deshalb schnell zu neuem Unrecht werden. Konflikte werden nicht durch Sieg oder Niederlage gelöst, sondern durch Verhandlungen. Ende der Kriegshandlungen und Verhandlungen zur Forderung zu erheben, wie dies derzeit vehement geschieht, kann aber ebenso realitätsfremd sein, wie die Forderung, den Zustand der Rechtmässigkeit wieder herzustellen.

Vor diesem Hintergrund ist das konkrete Postulat zu sehen, das der Konfliktforscher Friedrich Glasl kürzlich in einem Interview formuliert hatte: Es gebe in jedem Konflikt «Windows of Oppotunity». Diese gelte es zu nutzen (siehe die beiden Interview-Passagen aus dem Interview am Schluss).

Vergangenheitsurteile bilden oder auf Zukunft Einfluss nehmen

Damit sind zwei ganz unterschiedliche Haltungen angedeutet: Recht-haben bezieht sich auf die Vergangenheit – dazu gehören auch die meisten Urteile in den Kommentarspalten. Handlungsoptionen, auch wenn sie nur wenig Erfolg versprechen, beziehen sich auf die Zukunft. Sie können den Automatismus der Konflikteskalation bremsen oder brechen. Während in den Kommentaren viele Urteile präsentiert werden (d.h. von Vergangenheit die Rede ist), sind Handlungsoptionen (Zukunft) selten ein Thema.

Was kann man sich unter einem solchen «Fenster» vorstellen? Ich erinnere daran, dass China Ende Februar einen Friedensplan präsentiert hat. Offensichtlich passte dieser Vorstoss in kein Framing. Ich kenne in der Schweiz kein einziges Medium, das inhaltlich darüber berichtet hatte. Sowohl NZZ wie Tagesanzeiger wie Radio/Fernsehen srf ebenso wie CH Media und Wochenzeitung WOZ liessen es bei einer Notiz bewenden, ohne auf den Inhalt des Vorstosses einzugehen, geschweige denn, diesen zu diskutieren. Klar kann man Vorstössen Chinas gegenüber a priori jede Menge Vorbehalte anbringen. Aber einen solchen Akt einer Weltmacht einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen bzw. zur Kenntnis zu bringen, ist sicher keine Handlungsweise im Sinn einer Konfliktminderung (und auch ein Affront China gegenüber).

Das einzige mir bekannte Medium, das den chinesischen Vorstoss im Wortlaut wiedergab, war infosperber.ch. Der erste Absatz des chinesischen Vorstosses ist betitelt mit (übersetzt): «Respektierung der Souveränität aller Länder.» Von territorialer Unversehrtheit ist da die Rede. Selbstverständlich kann man die Bedeutung und die Motive eines solchen Textes hinterfragen. Dann fällt man wieder zurück in die eigene Urteilsbildung. Darum geht es aber nicht. Es würde darum gehen, dass die wichtigsten westlichen Staaten zusammen mit China und der UNO solche Postulate aufgreifen und mit Russland in Kontakt treten. Vielleicht sagen nun viele: Wahrscheinlichkeit des Scheiterns eines solchen Vorstosses ist mindestens 95%. Ich würde dann antworten: Vor dem Hintergrund eines zerstörerischen und tödlichen Konflikts ist es zynisch, eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 5% vorbeigehen zu lassen.

Auf eine solche Initiative («Respektierung der Souveränität») müssten sich ohnehin alle, die mit der Ukraine solidarisch sind, geradezu stürzen. Warum wird ein solches «Window of Opportunity» nicht geöffnet? Ohne mich dem US-Bashing oder entsprechenden Verschwörungserzählungen anschliessen zu wollen, kann ich nur die Erklärung finden: Eine solche Initiative passt schlicht nicht in die forcierte Polarisierung der USA gegenüber China. China als Friedensbotschafter? Kommt doch gar nicht in Frage. Und so lassen es unsere (US-solidarischen) Leitmedien bei einer kleinen Notiz bewenden und die Politiker treten schon gar nicht darauf ein.

Windows of Opportunity öffnen sich nicht alle Tage – aber oft unerwartet. Deshalb muss sich der Westen auf verschiedenste Möglichkeit vorbereiten, vor allem auch auf die Möglichkeit, sich im Hinblick auf denkbare Konfliktlösungen von den USA zu emanzipieren. Solche Vorbereitungen müsste vor allem auch die Schweiz treffen. Man kann beliebig lang über die Interpretation der Idee und der Praxis des Neutralitätsstatuts diskutieren. Auch diese Diskussionen werden eher vergangenheits- als zukunftsorientiert geführt. Es würde der Schweiz nicht schlecht anstehen, als Verfechter internationalen Rechts (Depositärstaat der Genfer Konvention) das chinesische Papier aufzugreifen und zu sagen: Genau das ist unser grundsätzliches Anliegen, die territoriale Unversehrtheit, die «Respektierung der Souveränität aller Länder.»

Zwei Passagen aus dem Interview mit Friedrich Glasl
dasgoetheanum.com/windows-of-opportunity-fenster-des-friedens

Tatsächlich sprechen viele Anzeichen dafür, dass die Fortsetzung des Krieges von Kiew, Moskau, Washington und Brüssel gewollt wird. Damit meine ich nicht die EU, sondern die Nato. Es wird keine Alternative in der Diplomatie gesucht, weil sich die kriegführenden Parteien festgelegt haben. Und doch gibt es immer wieder Möglichkeiten, aus der Kriegslogik in eine Friedenslogik zu kommen. Ich spreche immer wieder von ‹Windows of Opportunity›, die sich für kurze Zeit öffnen. Wenn man die nicht nutzt, dann geht dasFenster wieder zu, aber es öffnen sich neue! So wie zum Beispiel bei den Vereinbarungen, Getreide aus den ukrainischen Häfen zu verschiffen. Das hätte noch vielmehr genutzt werden können. Da waren die Interessen nicht so weit auseinander. Es gelang ein Miteinander, weil alle Interessen berücksichtigt wurden und nicht nur jene der Ukraine. Die UNO und die Türkei bzw. Erdogan haben da viel erreicht.

So gab es zum Wochenende vom 17./19. Februar auf der Münchener Sicherheitskonferenz die Ankündigung der chinesischen Regierung, am 24. Februar einen Plan zur Vermittlung vorzulegen. Der hatte sofort Kommentare maßgeblicher Politiker und Politikerinnen im Sinne der Kriegslogik zur Folge: «Das kann nichts Seriöses sein! Das ist hinterhältig und dient den Interessen Chinas und Russlands! China will damit nur in der Welt Unterstützergewinnen! Und wenn der Plan abgelehnt wird, gibt Moskau dem Westen die Schuld!» Das ist ein ‹Window of opportunity›, das genutzt werden muss, damit ein Ende des Krieges denkbar wird. Wichtig ist, dass es überhaupt zu Gesprächen kommt – man kann nicht Ergebnisse zur Bedingung machen.

Aus zwei Kommentaren zum Interview:

(Erster Kommentar): Wenn Sie, Herr Glasl, Kommunikationsforscher sind und tatsächlich geglaubt haben, die, naja, „Friedensinitiative“ aus China in diesen Tagen wäre substantiell ernst zu nehmen, dann kann ich mich nur wundern. China hat einen massiven Einfluss auf Russland, wenn die gewollt hätten, das Frieden ist, hätten die doch auch schon vor 11, 5, oder 3 Monaten etwas entsprechendes starten können. Was sollen denn die Menschen in Butcha, Mariupol oder Charkiv sagen, zu den unverbindlichen Allgemeinheiten der chinesischen Initiative?

(Zweiter Kommentar:) Die wirkliche Achse des Bösen geht mitten durch die Elite der USA. In deren Auftrag operiert die CIA etc. weltweit. Das kleine Würstchen Olaf Scholz steht neben Biden vor dem Mikrofon und hört sich an, wie Biden ihm erklärt, dass die USA die Nordstream Pipelines beenden (sprengen) werden. Das ist ein staatlich angeordneter Terrorakt. Biden und Scholz müssen sofort eingesperrt werden!!!

Für dasselbe 3500% mehr bezahlen?

Stell Dir vor, Du kommst in einen Schuhladen und siehst ein Paar Schuhe, das Dir gefällt. Es kostet 200 Franken. Daneben steht ein weiteres Paar, es sieht genau gleich aus, scheint von gleicher Beschaffenheit zu sein, aber es kostet 7000 Franken. Die Verkäuferin bestätigt: es gibt keinen qualitativen Unterschied zwischen den beiden Paaren. Eigentlich kann das in einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft nicht vorkommen. Wer ist so blöd, das qualitativ nicht überlegene, fünfunddreissig Mal teurere Paar zu kaufen? So blöd (oder Kapitalinteressen-getrieben) waren National- und Ständeräte in den 1970er Jahren, die eine Altersvorsorge (2. Säule), etwa so, wie wir sie heute haben, abgesegnet haben.

Im Fall der Altersvorsorge handelt es sich nicht um ein Paar Schuhe, sondern um den Rentenfranken, der ausbezahlt wird. Wenn man die gesamten jährlichen Verwaltungskosten auf die ausbezahlten Rentenbeträge umlegt, dann ist der einzelne Rentenfranken der 2. Säule mehr als fünfunddreissig Mal stärker durch Verwaltungskosten belastet als der Rentenfranken der 1. Säule (AHV). Wie ist es möglich, dass man in einer kompetitiven Wirtschaft eine Lösung einführt und beibehält, die mehr als 3500% teurer ist als das zuerst eingeführte Konzept der AHV?

Vor Jahren kursierte das von Rudolf Strahm lancierte Schlagwort des Rentenklaus. Das trifft das Problem nicht. Dazu die folgende Überlegung: Wenn ein junger Mensch von 25 Jahren einem Treuhänder 10'000 Franken in die Hand drückt und sagt: hüte mir dieses Geld, leg es an. In vierzig Jahren komme ich und hole es wieder ab, selbstverständlich mit einem ordentlichen Zins dazu. Dieses Geldhüten während vierzig Jahren kostet. Es sind die Kosten des BVG. Währenddessen die AHV Geld einnimmt und es mit einem kleinen Verzug als Renten wieder ausgibt. Gehütet wird hier fast nichts.

Nicht nur das Geld hüten kostet viel mehr, auch die Administration der Versicherten. Gemäss H.U. Schöchli in der NZZ vom 26. Januar 2023 braucht das BVG etwa ein Viertel der Verwaltungskosten für Verwaltung im engeren Sinn «(zum Beispiel die Verarbeitung von Mutationen wie etwa Stellenwechseln)». Das wären 1425 Millionen Franken, während die Verwaltungskosten bei der AHV nur 219 Millionen ausmachen. Auch dies ist unglaublich in einer kompetitiven Wirtschaft. Aber klar: hier müssen nicht nur Adressen bei Wohnortwechsel mutiert werden. Wenn jemand die Stelle wechselt, muss ihm (bzw. seiner neuen Pensionskasse) auch das Sparkapital hinterhergeschickt werden.

So weit einige Fakten der Ineffizienz, mit denen kein Propagandist dieses Systems hausieren geht. Dass diese Fakten nicht an die Öffentlichkeit gehören, macht Peter Wirth, Redaktor des Vorsorgeforums (www.vorsorgeforum.ch), in seinem Newsletter vom 30.1.2023 gleich klar: «Das vor allem in Kreisen der 2. Säule-Skeptiker beliebte Thema der Verwaltungskosten von Pensionskassen wurde jetzt – aus nicht ganz erfindlichen Gründen – von der Eidg. Finanzkontrolle aufgegriffen.» Unerfindlich, weil es sich um eine Bagatelle handelt? Die BVG-Verwaltungskosten beanspruchen ja «nur» etwa 1% der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung der Schweiz. Nein, unerfindlich, weil die einzelnen Pensionskassen ihre Verwaltungskosten von Gesetzes wegen erfassen und in ihren Jahresberichten publizieren müssen. Und diese Jahresberichte lesen die Aufsichtsorgane, sonst kaum jemand. Was will da also die Finanzkontrolle mit einer überflüssigen Publizität schlafende Hunde wecken?

Der Zufall wollte es, dass ich mich vor ein paar Wochen genau um dieses Thema kümmerte. Aufgrund der Zahlen des Bundesamts für Statistik kam ich auf Verwaltungskosten von 5.7 Mrd. Da liegen die Zahlen der Eidgenössischen Finanzkontrolle mit 6.8 Mrd. doch deutlich höher. (In diesem Beitrag verwende ich meine recherchierten, etwas tieferen Zahlen.) Zur Grössenordnung: 2021 betrugen die gesamten Leistungen der öffentlichen Hand an die SBB ca. 4 Mrd Franken.

Abwiegeln à la Peter Wirth ist die eine Reaktionsweise. Anders ist diejenige von Hansueli Schöchli von der NZZ. Ihm geht’s um Freiheit, Selbstverantwortung undsoweiter. All diese hehren Werte sind mit der 2. Säule (im Unterschied zur AHV) verknüpft. Um die hohe Wertschätzung für die 2. Säule besonders deutlich zu machen, muss er zuerst einmal die AHV in den Dreck ziehen: «Die AHV ist ein Pyramidensystem.» Damit verwendet er einen Begriff, der für das denkbar Übelste im Finanzmarkt seht. Ein Pyramidensystem hatte Bernard Madoff betrieben und dabei etwa 50 Mrd. Kundegelder verzockt. (Der Basler Dieter Behring brachte es nur auf etwa 800 Millionen.) Madoff hatte immer neue Kundegelder mit hohen Verzinsungsversprechungen entgegengenommen und die Zinsen mit den Einzahlungen neuer Kunden beglichen. Ein Pyramidensystem funktioniert nur auf Zeit und solange völlige Intransparenz besteht, was beim AHV-Umlageverfahrene nicht zutrifft. Hier spricht man von einem Generationenvertrag und Umlageverfahren: Heute Erwerbstätige zahlen die Renten von heute über 64- bzw. 65-Jährigen. Meine Mutter hatte nie in die AHV einbezahlt, aber eine AHV-Rente erhalten. Damals polemisierte niemand dagegen, dass die Jungen für die Alten aufzukommen hätten. Denn das war ja gerade die Philosophie der AHV. Heute ist die Klage über die Belastung der Jungen durch die Alten ein beliebter Topos der bürgerlichen Presse. Der Wahrheitsgehalt dieser Klage ist beschränkt. Weil bei der Einführung der AHV Produktivität mit Arbeitsleistung einherging, wurde die AHV mit Lohnabzügen finanziert. Mit der Zeit wurde immer mehr Arbeit durch Kapital ersetzt (Produktivitätsfortschritte, Rationalisierung). Die verblendeten Sozialpolitiker blieben aber in den 1950-er Jahren stehen, klagten und klagen, es müssten immer weniger Arbeitstätige für immer mehr Rentner aufkommen (genannt: «demografisches Problem). Konsequent wäre ja, die Wirtschaftsleistung und nicht die Löhne zur Basis der AHV-Finanzierung zu machen, was tatsächlich auch mit einem Mehrwertsteuerbeitrag ein Stück weit geschieht. Dieser Weg ist weiterzugehen. Das Gejammer über den Wegfall von Lohnbeiträgen, das «demografische Problem», ein Stichwort, das auch H.U. Schöchli liebt, ist obsolet. Das Schlagwort des Pyramidensystems, das als Finanzbetrug gilt, ist eine ganz üble, sachlich nicht gerechtfertigte Diffamierung des Sozialwerks AHV, die sich Schöchli hier leistet.

Ebenso systemfremd und letztlich eine Demontage des Konzepts AHV ist das Aufzeigen einer Finanzierungslücke der AHV, die sich auf einen Betrag von weit über 1000 Milliarden belaufe. Bei dieser Zahl am Werk ist der Freiburger Professor Raffelhüschen, gerufen von der UBS. Diese Zahl errechnet sich mit dem sogenannten Barwert der in Zukunft fälligen Renten. Der Barwert ist der Betrag, der notwendig ist, um zukünftige Renten heute zu finanzieren.

Welche ideologische Fracht im Artikel von Schöchli steckt, zeigt die folgende Schrotladung: «Welche Säule man ‹besser› findet, ist eine Frage der politischen Wertung. Wer Selbstverantwortung als Schimpfwort empfindet und die versteckte Umverteilung von Jung zu Alt und von oben nach unten mag, ist an einem möglichst starken Ausbau der AHV und an einer Schwächung der zweiten Säule interessiert. Das gehört seit langem zum Programm der Linken.»

Das heisst zunächst einmal: 5.7 Mrd Verwaltungskosten, wenn 219 Mio eigentlich reichen würden, ist o.k. und offenbar kein Aspekt rationaler Urteilsbildung. Die Kritik ist ideologisch motiviert. Für Schöchli sind nicht Kosten, sondern Selbstverantwortung wichtig. Nur unterscheiden sich die beiden Systeme gerade in dieser Hinsicht nicht. Obligatorische BVG-Lohnabzüge werden nicht selbstverantwortlicher geleistet als obligatorische AHV-Lohnabzüge. Die Umverteilung von Jung zu Alt ist kein linkes Postulat, sondern ein Konstruktionsfehler des BVG. Und die Umverteilung von oben nach unten? Mögen die Armen doch länger arbeiten, wie es Bernd Raffelhüschen vorschwebt. (Focus 9.1.2023)

In Bezug auf die deutschen Renten, die sich im Bereich von 809 Euro (Frauen) und 1218 Euro (Männer) bewegen, meint Professor Raffelhüschen: «Wir würden das straffen müssen, so dass das das Rentenniveau auf 40 bis 41 Prozent [von plus/minus 1000 Euro Monatsrente!] fallen muss.» Rentnern, die an der Armutsgrenze leben, müssen Hilfestellungen gegeben werden, findet Raffelhüschen. Hilfestellung wie? Raffelhüschen, Experte und Berater grosser Versicherungsgesellschaften, auch immer wieder beigezogen von der UBS, hat eine tolle Idee: «indem sie [die Rentner] auch zum Beispiel länger arbeiten.» Hilfe zur Selbsthilfe sei immer das beste Instrument. Außerdem müsste das Renteneintrittsalter auf 68 oder 69 Jahre angehoben werden.  

Oder vielleicht würden sich die dem Existenzminimum entlangvegetierenden Schweizer auch von Gerhard Schwarz, dem früheren Wirtschafts-Chefredaktor der NZZ trösten lassen, der kürzlich (NZZ 27.12.2022) feststellte, «dass die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz – selbst die einkommensschwächsten – im Weltvergleich zur Oberschicht gehören» – nur dumm, dass sie auch schweizerische Oberschicht-Lebenskosten, im Weltvergleich zu den höchsten gehörend, zu bestreiten haben.

«Die zweite Säule ist grundsätzlich eher ‹nachhaltig›», meint Schöchli. Wer die beiden Vorsorgesysteme mit einem Tunnelblick betrachtet, mag zu diesem Urteil kommen, der sich auf den mittelfristigen Saldo von Einnahmen und Ausgaben beschränkt – aber eben auch nur, wenn der Rentenumwandlungssatz und allenfalls auch das Rentenalter der steigenden Lebenserwartung angepasst werden. Nur, wenn …. Dabei die volkswirtschaftlichen Implikationen von über 1000 Milliarden Franken Sparkapital beim Begriff der Nachhaltigkeit der 2. Säule einfach auszublenden, wirkt aber doch recht naiv. 200 Mrd Franken sind in Immobilien angelegt. Damit sind sie ein wichtiger Druck-Faktor im schweizerischen Immobilienmarkt, der die Preise (und damit die Mieten) zum Steigen bringt. Hier treffen die Preise plötzlich wieder auf Rentner, die diese in die Höhe gepushten Mieten zu zahlen haben. 300 Mrd Franken sind an den Börsen angelegt. Zusammen mit den weltweit zunehmenden, auf Kapitaldeckung aufbauenden Vorsorgesystemen sind die Vorsorgekapitalien ein Faktor auf dem Finanzmarkt, der die Kurse zum Steigen bringt – einfach aufgrund der Nachfrage. Auch hier spielen Marktwerte eine Rolle, denen nur eingeschränkte realwirtschaftliche Wertbildungen zugrunde liegen. Erfahrungsgemäss haben solche Entwicklungen tendenziell den Charakter von Blasen und sind dementsprechend nicht nachhaltig.

Dies sind nur wenige Andeutungen, die zeigen, dass es bei der Kritik der 2. Säule nicht einfach um linke Polemik geht, sondern um ernsthafte Bedenken aus realwirtschaftlicher Sicht. Der implizite Vorwurf, Kritik an der 2. Säule sei ideologischer Natur, fällt auf den rechten Polemiker zurück.

Anmerkung: Als ehemaliges Stiftungsratsmitglieder der CoOpera-Sammelstiftung bin ich selber Profiteur des Systems 2. Säule.

Oligarchen und Oligärchlein

Eben war es eine fast normale, immerhin etwas exotische Tatsache, dass es eine Spezies von Menschen gibt, die man als Oligarchen bezeichnet. Dass daran etwas schief sein könnte, gelangte kaum in das öffentliche Bewusstsein. Und nun ist es plötzlich eine ebenso normale Tatsache, dass es Outcasts, Ausgestossene gibt, die nur deshalb Ausgestossene sind, weil sie sehr reich und russischer Provenienz sind. Es scheint normal zu sein, dass man deren Vermögen sperrt, sodass manche ihre Angestellten nicht mehr entlöhnen können.

Wie manchmal habe ich mich doch nicht gewundert, wenn beispielsweise für einen öffentlichen Fussweg etwas Land einer grossen Villa am See beansprucht werden sollte und die vereinten bürgerlichen Parteien von schwerwiegenden Eingriffen in die Eigentumsfreiheit, die Schule machen könnten, warnten. Und nun wird vielen Superreichen Leuten gleich die ganze Verfügungsgewalt über ihr Eigentum unterbunden. Was hat es denn nun mit den Eigentumsrechten auf sich?

Wie wunderte ich mich doch damals (2006), als Viktor Vekselberg mit hehlerischer Hilfe der Zürcher Kantonalbank Aktien des Sulzer-Konzerns unter Umgehung von Meldepflichten aneignen konnte, die ihm den massgeblichen Einfluss an dieser Unternehmung sicherte, ohne dass dieser Kauf von Amtes wegen rückgängig gemacht wurde, als der Vorgang publik wurde. Man kann sich hierzulande also auch mit krummen Touren ein Imperium aufbauen.

Und nun verlieren die Gesinnungsgenossen von Vekselberg ihr Vermögen (oder wenigstens die Verfügungsgewalt darüber), ohne dass unsere Politiker und Anwälte des Rechtsstaats sich in Artikeln, Repliken und Dupliken in der NZZ über die Rechtmässigkeit dieser Vorgänge ergehen würden. Ist das mit dem Rechtsstaat gar nicht so ernst gemeint? Oder nur fallweise?

Nicht dass ich mich selber zum Anwalt dieser Leute, die auf dubiosen Wegen zu ihrem Vermögen gekommen sind, machen möchte. Es geht mir eher grundsätzlich um das Rechtsbewusstsein oder vielmehr noch um das Unrechtsbewusstsein. Dieser Begriff tauchte in meinem Vokakbular auf, als in der Schweiz erbittert um das sogenannte Bankgeheimnis gestritten wurde und die Schweiz schliesslich – wenigstens ein Stück weit – klein beigeben musste. Der Begriff wurde vom Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann verwendet. Er (ein Deutscher) erfrechte sich, den Schweizern vorzuwerfen, ihnen fehle das Unrechtsbewusstsein. Deshalb könnten sie hinterzogenem Fluchtgeld ohne Gewissensbisse Asyl gewähren. Damit hatte er eine Hexenjagd gegen sich selber losgetreten. Seine Habilitationsschrift an der Universität St. Gallen war bereits angenommen worden. Er durfte noch die damit verbundene Antrittsvorlesung halten. Das war dann aber auch das Ende seines Wirkens an dieser Hochschule. Seither wirkt er in Berlin. Mit dieser Kampagne war aber auch klar (mir wenigstens): Fehlendes Unrechtsbewusstsein ist kein ausschliessliches Merkmal russischer Oligarchen.

Fehlendes Unrechtsbewusstsein ist allerdings nicht die einzige, nicht einmal die wichtigste Bedingung für das Gedeihen eines Oligarchats. Eine weitere Voraussetzung ist ein nicht ganz so klarer Rechtsrahmen beziehungsweise eine Beamten- und Richterschaft, die wenig interessiert daran ist, Klarheit zu schaffen. 1997 war ich in Moskau, um einen Kurs für KMU-Unternehmer zu geben. Es nahmen ganz unterschiedliche Menschen teil, vom Hersteller von Holzspielzeug bis zum Medienunternehmer, von Russen bis zu Ukrainern. Verschiedentlich hörte ich von den Teilnehmern, dass man ein Unternehmen in Russland etwa alle fünf Jahre liquidieren und neu gründen sollte – aus folgendem Grund: Die Behörden haben fast beliebig viele Möglichkeiten, einem Unternehmer Vergehen in der Vergangenheit nachzuweisen (oft wohl Bagatellen) und ihn mit derart hohen Bussen zu belegen, dass er liquidieren muss. Ein mit der Behörde verabredeter Käufer steht schon bereit, erwirbt das Unternehmen zu einem Spottpreis und entrichtet einen Obolus an seinen Vertrauensmann bei der Behörde. Je älter ein Unternehmen ist, desto eher werden solche Fehler zu finden sein.

Das riecht nach einem ziemlich korrupten Lottersystem. Das haben wir in der Schweiz natürlich nicht. Hier geht alles mit rechten Dingen zu. Beziehungsweise: es wird ganz offiziell dafür gesorgt, dass niemand gewisse Dinge, die nicht so ganz lupenrein sind, wahrnimmt. Dies ist der Grund, weshalb die Bankiervereinigung die russischen Vermögenswerte zwar auf 150 bis 200 Milliarden Franken schätzt, jedoch gesperrt (gefunden) aber bisher erst etwa 7,5 Milliarden wurden. «Auch wenn im Ausland wohnhaft, haben sie mithilfe von Genfer, Zürcher oder Luganeser Anwaltskanzleien mit Offshore-Schachtel-Konstrukten über Briefkasten-Firmen in Panama, Bahamas oder Jungferninseln ihr Vermögen anonymisiert und versteckt.» (Rudolf H. Strahm, Tages Anzeiger 19.4.2022) Von den Panama Papers, der unerschöpflichen Quelle an Informationen «geflüchteter» Vermögen, wollte die Schweiz als einziges Land nichts wissen. («Ich heisse Hase und weiss von nichts.») Die Stellung der Wirtschaftsanwälte im Parlament ist derart stark, dass sie sich erfolgreich gegen die Unterstellung unter die entsprechenden Gesetze wehren konnten, die sie zu Offenlegungen und Meldungen verpflichtet hätten. Ein Wirtschaftsanwalt kann also seinem Kunden A empfehlen: eröffnen sie eine Stiftung dort und dort unter dem Namen X. Wenn dann die Strafverfolger nach dem Vermögen von A fahnden, weiss der Wirtschaftsanwalt von nichts. Es gibt ja keine Vermögenswerte unter dem Namen A, nur unter dem Namen X, und danach wurde ja nicht gefragt. Wie soll die Behörde danach fragen können, wenn der Name X dem Anwaltsgeheimnis unterliegt? (Etwa so stelle ich mir wenigstens die Konstrukte etwa vor.)

Es gibt einen dritten Aspekt: Die Systemwechsel im Osten führten zu Verkäufen ehemals staatlicher Unternehmen. Das gab es nicht nur in Russland, sondern in allen osteuropäischen Staaten. Hier ein polnisches Beispiel: Die reichste Polin heisst Grazyana Kulczyk. Sie liess im Unterengadin (Susch) für Dutzende von Millionen ein Museum für moderne Kunst bauen. Wie war sie zu ihrem Reichtum gekommen? Die NZZ am Sonntag vom 22.12.2018: «Nach der Wende 1989 hat sie mit ihrem damaligen Mann Jan Kulczyk staatliche Unternehmen privatisiert.» Niemand behauptet, die Kulczyks hätten sich schamlos bereichert. Das passierte wohl einfach. Danach waren sie halt sagenhaft reich.

Es gibt durchaus Oligarchen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und damit ihr Vermögen mehren. Oft nutzen sie dabei Monopolsituationen oder haben sich Rechte angeeignet, die sie nun gewinnbringend zu nutzen wissen. Wohl immer kann man aber annehmen, dass das Vermögen von Oligarchen mindestens anfangs auf Aneignung von Volksvermögen beruht, was wir als doch etwas verwerflich empfinden. Ein Oligarch würde vielleicht sagen: das ist doch ganz normal. Ich war ja nicht so blöd, jene Gelegenheit einfach so vorbeigehen zu lassen. Ein anderer hätte sonst zugegriffen. Ja, begreiflich.

Fehlendes Unrechtsbewusstsein? Das kennen wir ja: Da hat einer (ein biederer Schweizer) vor ein paar Jahrzehnten ein Haus für 500'000 gekauft (oder er hat es gar geerbt). Und nun sagt ihm die Bank, das gut gelegene Haus sei nun 1.2 Mio wert. Und so verkauft er es auch. Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, die dabei Skrupel (Unrechtsbewusstsein) empfinden: Jahrzehntelang de facto gratis gewohnt, als Dreingabe ein paar Hunderttausend für einen sorglosen Lebensabend. Etwas Glück muss man halt haben. Jeder Andere würde sich in einer ähnlichen Situation gleich verhalten – so beruhigt man ein allfällig beunruhigtes Gewissen.

Was soll daran unrecht sein? Ja, wer hat denn die Wertschöpfung geleistet, die in dieser Preissteigerung zum Ausdruck kommt? Es war die Gemeinschaft aller, die eine aktive Wirtschaft und Kultur entwickelte, die Gemeinde, die Verkehrsanschlüsse, Schulhäuser und öffentliche Einrichtungen geschaffen hat, das Raumplanungsgesetz, das den bebaubaren Boden verknappt. Daraus ergeben sich die volkswirtschaftlichen Werte (eigentlich Volksvermögen), die sich im Hauspreis (eigentlich vor allem Bodenpreis) niederschlagen. – Sich Volksvermögen aneignen – das ist keine Oligarchenspezialität. Und überhaupt: von den finanziellen Dimensionen her wird der Hausverkäufer kein Oligarch. Er bekommt auf einen Schlag «nur» etwa so viel Geld, wie ein anderer während seines ganzen Berufslebens für seine Pensionskasse zusammenspart. Mit den Oligarchen teilt er aber, dass er ein allfälliges Gewissen, dass er nun wohl ein zu grosses Stück vom Kuchen bekommen habe, mit den Worten zum Schweigen bringt: Alle machen es doch so.

Sollen Oligarchen ausgestossen werden? Wenn mit solchen Massnahmen nur Personen russischer Provenienz ins Auge gefasst werden, dann müssen die Massnahmen als xenophob oder rassistisch bezeichnet werden. Am Kriegsgeschehen in der Ukraine ändern solche Massnahmen kaum etwas. Würden auch all die kleineren Oligärchlein ins Auge gefasst, all jene, welche die Gelegenheit zu Dieben am Volksvermögen gemacht haben, dann wäre zumindest eine Debatte angebracht, welche das Unrechtsbewusstsein auf den Stand bringt, welcher auch sozial wirksam werden könnte. Ich habe wenig Hoffnung, dass dies so schnell passieren könnte wie die Eröffnung der Jagd auf russische Oligarchen und ihre Yachten.

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