Wo genau ist das Problem?
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- Erstellt: Sonntag, 21. Januar 2024 15:17
Der Turnschuh-Vermarkter On zahlt dem vietnamesischen Herstelle etwa 18 Franken für einen Schuh, der hier 190 Franken kostet. Der K-Tipp hat die Zahlen veröffentlich und damit eine Welle der Empörung losgetreten. Wie in solchen Fällen üblich, erklärt die NZZ, dass das Problem gar kein Problem sei. NZZ Wirtschaftsredaktor Thomas Fuster am 21.1.2024:
«Als Ökonom fragt man sich, wo hier genau das Problem sein soll. Produkte in fernöstlichen Schwellenländern billig herzustellen, um sie dann in kaufkräftigen Industrieländern teuer zu verkaufen, ist kaum eine Erfindung von On, sondern das Geschäftsmodell zahlloser Firmen. Überraschend ist höchstens, dass On den vietnamesischen Herstellern gemäss «K-Tipp» deutlich weniger zahlt als etwa Adidas oder Puma, obwohl die Verkaufspreise dieser beiden Konkurrenten niedriger sind.»
Ich schrieb Herrn Fuster:
Ich gratuliere Ihnen zur eleganten Argumentation, die Sie der allgemeinen Empörung über die Preisbildung der Marke On entgegenhalten. Tatsächlich kann man denjenigen bewundern, der es schafft, den Verbrauchern ein Billigprodukt (mit vieldiskutierten Mängeln) zu Höchstpreisen zu verkaufen. On hat, wie Sie feststellen, nur einen Fehler gemacht, nämlich das Produkt mit ethischen Argumenten zu bewerben. Und jetzt sehen sich viele Käuferinnen und Käufer für dumm verkauft an. Also ein selbst verschuldeter Imageverlust von On.
Als Händler im Ruhestand frage ich: Wie würde man die Sache ansehen, wenn die Hersteller des Produkts, die keine 10% des Endverkaufspreises erhalten, nicht in Vietnam, sondern in der Schweiz sitzen würden? Ich vermute, dass man dann von frühkapitalistischen Verhältnissen und von Ausbeutung sprechen würde. Durch die Macht der Gewerkschaften, wurde die Ertragsverteilung Produzent, Handel, Verkauf korrigiert. Einen solchen Verschiebungsmechanismus können die Arbeiterinnen im globalen Süden nicht erwarten. Was können sie stattdessen tun? Sie verschieben sich selbst in unsere Breitengrade. Man wird sie bei uns als Wirtschaftsflüchtlinge beschimpfen, sie seien ja nicht an Leib und Leben bedroht, und man wird überlegen, wie man sich ihrer erwehren könnte.
Sie sehen: neben dem Imageproblem für On und Roger Federer hat solches Preisgebaren Auswirkungen weit über ein Imageproblem hinaus. On gegenüber könnte man sagen: das habt ihr Euch selbst eingebrockt. Während die cleveren Jungunternehmer ihre Millionen aus dem Going Public im Trockenen haben, ist es der Gesellschaft (möglichst inklusive SVP) überlassen zu überlegen, wie man mit Migration umgehen soll. Diese Debatte fördert Rechtsaussenparteien. Denn man wird so argumentieren, als hätten wir mit den Ursachen der Migration rein gar nichts zu tun.