Besser schweigen?
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- Erstellt: Montag, 04. Dezember 2023 16:51
Seit ich 1965 Israel besucht habe und meine eigene Politisierung rückblickend mit jenen Erfahrungen in Verbindung bringe, verfolge ich die Geschehnisse in Israel / Palästina mit grösserer Aufmerksamkeit als diejenigen in irgend einem anderen Land. Umso schwerer zu begreifen ist es für mich, dass ich den brutalen Hamas-Überfall auf israelische Siedlungen am 7. Oktober 2023 zunächst kaum an mich herankommen lassen wollte. Vielleicht hatte das auch damit zu tun, dass mir die Folgen sofort klar waren: Kaum je ist bisher ein Israeli durch die Hand eines Palästinensers ums Leben gekommen, ohne dass danach ein Vielfaches an palästinensischen Menschen das Leben lassen musste. Was musste es also bedeuten, wenn die Hamas 1200 Menschen (nicht nur Israeli) umgebracht hat? Alles in mir wehrte sich dagegen, mir eine Vorstellung von der Brutalität des Rachefeldzugs zu machen, der nun bevorstand. Also bedrückt schweigen? (Was jetzt geschieht, übertrifft bei weitem alles an Grauen, was ich mich getraut hätte, mir vorzustellen.)
Diese Brutalität hat inzwischen ihre Wirkung entfaltet. Während die Hamas mit einem Terrorüberfall Menschen massakriert hat, hat Israel «im Gazastreifen Tausende von Hamas-Kämpfern ausgeschaltet.» (NZZ Briefing vom 4.12.23) Die Todesopfer, die eine unmittelbare Wirkung dieser «Ausschaltung» sind, werden als Kollateralschäden bezeichnet. «Ein Vergleich zum Krieg gegen den Islamischen Staat deutet darauf hin, dass Israel mehr zivile Opfer hinzunehmen bereit ist als damals die USA.» (NZZ Briefing). – Wer ist bereit? Wer bitte hat die Opfer hinzunehmen? Israel?
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